Ich hab‘ keine Zeit! 01

Dass wir keine Zeit haben, ist ein Gemeinplatz. Das Gegenteil – dass wir ganz viel Zeit haben – ist ebenso ein Gemeinplatz. Scheint also beides richtig zu sein: Wir haben ganz viel Zeit, und gleichzeitig haben wir keine bzw. ganz wenig Zeit. 

 

Ich hab‘ mich in der Vergangenheit recht viel damit befasst:

Wie wird Zeit von unterschiedlichen Persönlichkeiten erlebt?

Wie wird Zeit in unterschiedlichen Kulturen erlebt?

Und so weiter.

 

Aber ich kann wenig Fallabschließendes dazu sagen. Für mich ist es höchst spannend, wie Zeit erlebt werden kann –

·         Läuft sie zirkulär?

·         Läuft sie von links nach rechts?

·         Läuft sie von rechts nach links?

·         Wölbt sie sich über mir wie eine Kuppel?

·         Scheint sie gar keine Richtung zu haben?

·         Gehe ich auf sie zu?

·         Lasse ich sie auf mich zukommen?

·         Schwimme ich in der Zeit wie in einem Fluss?

·         Eile ich der Zeit hinterher?

·         Und so weiter.

 

Aber weder weiß ich, was Zeit ist, noch kann ich Aussagen dazu machen, wie mit ihr umgegangen werden sollte. Dazu sollen sich berufenere Menschen äußern. (Und ein flüchtiger Blick ins Internet reicht, um festzustellen, dass es solche berufeneren Menschen beim Thema Zeit buchstäblich zu Millionen gibt – da wird also schon irgendwas passendes bei sein. Und vermutlich haben diese berufenen Menschen aus ihrer Sicht gesehen alle vollkommen recht).

 

Was ich heute zum Thema Zeit schreibe, ist also eine sehr individuelle und höchst subjektive Sichtweise. Jeder darf eine andere haben.

 

Worum geht’s?

Wenn Menschen mir Rückmeldung geben, wie sie mich erleben, sind sie sich in verschiedenen Punkten vergleichsweise einig. Einer dieser Punkte ist:

 

Stiller ist geduldig.

 

„Du bist der geduldigste Mensch, den ich kenne.“

„Du bist gnadenlos geduldig.“

„Ich wäre so gerne so geduldig wie du.“

„Wie kannst du dabei nur so geduldig bleiben?!“

Und so weiter.

 

 

Tatsache ist, dass ich auf buchstäblich jede Minute meines Lebens achte und sehr genau überlege, wofür ich jede dieser Minuten ausgebe. Dass ich Zeit unbewusst vertändle, sie verschwende oder sie mir gar vertreibe, kommt praktisch nie vor. Zeit ist ungemein kostbar und wertvoll für mich. Jeder Tag, jede Minute ist ein kostbares Geschenk für mich.

 

Ich weiß, dass mein Leben sehr endlich ist. Gleichzeitig weiß ich, dass ich in diesem Leben noch einen sehr langen Weg zu gehen habe. (Der Weg der Heilung ist seeeeeehr lang). Da kann ich es mir einfach nicht leisten, auch nur eine einzige dieser kostbaren Minuten zu vergeuden.

 

Wie passt das zusammen mit „Stiller ist geduldig“?

 

Das ist vergleichsweise einfach:

Wenn ich merke, dass ich meine Zeit falsch verbringe – z.B. mit bestimmten Menschen -, dann stehe ich auf, verneige mich, danke für diese wichtige Lektion und gehe woanders hin und mache was anderes. (Dieses Aufstehen, Verneigen und Bedanken mache ich natürlich meistens nur innerlich. Davon bekommen andere meistens nichts mit. Die bekommen nur mit, dass ich weggehe und nicht wiederkomme).

 

Wenn ich aber meine Zeit sinnvoll verbringe – z.B. mit bestimmten Menschen – dann geht es meistens um Wachstumsprozesse: Wachstumsprozesse bei mir, Wachstumsprozesse bei anderen. Das Leben ist ein Fluss, und die Dinge entwickeln sich – bei mir, bei anderen, in meiner Umwelt.

Und diese Wachstumsprozesse zu erleben und zu beobachten füllt mich meistens derart aus, dass ich gar nichts anderes tun will. Ich gehe vollkommen darin auf. Da kommt es mir gar nicht in den Sinn, geduldig zu sein.

Bin ich geduldig, wenn ich schlafe?

Bin ich geduldig, wenn ich atme?

Bin ich geduldig, wenn ich fasziniert beobachte, wie der Wind die Blätter eines Baumes bewegt?

 

Mit anderen Worten:

Ich bin nicht geduldig, ich bin einfach nur da.

Und das ist auch schon alles.

 

Um ungeduldig zu sein müsste ich (innerlich) woanders sein – zum Beispiel in irgendeiner Zukunft, die einfach nicht kommen will. Oder in irgendeiner Vergangenheit, die sich einfach nicht mehr herstellen lässt. Und ironischerweise: Um sowas zu tun müsste ich meine Zeit vergeuden, und dafür habe ich einfach keine Zeit. Zeit ist in meinem Leben das mit Abstand knappste Gut.

 

Zusammengefasst:

Ich habe also keine Zeit für Ungeduld.

Mach‘ was dran.

 

 

Und dennoch gibt es Situationen bzw. Themenbereiche, bei denen ich sehr ungehalten werde:

„Ich hab‘ keine Zeit!“

Da werde ich dann auch ziemlich emotional. Vielleicht ist das ein Zeichen meiner Unreife. Vielleicht ist das auch einfach meine Art, in der Welt zu sein – ich weiß es nicht. Ich will das auch nicht bewerten, ich will nur an dieser Stelle davon berichten.

 

Also – wann hab‘ ich keine Zeit?

 

Ein paar Beispiele:

 

 

1

Ich erlebe es vergleichsweise häufig, dass Menschen an mir herumkritteln oder herummäkeln, weil sie bestimmte Verhaltensweisen von mir einfach nicht nachvollziehen können:

 

„Warum machst du das denn jetzt nicht?!“

„Wieso hast du das denn jetzt schon wieder getan?!“

„Wie kommt das bloß, dass du immer … ?!“

 

Und so weiter.

 

Ich habe dabei zweierlei Erfahrungen gemacht:

 

a)

Wenn ich den Menschen erkläre, warum ich das denn jetzt nicht gemacht habe (oder - im Gegenteil – schon wieder gemacht habe), dann wollen sie es weder verstehen noch akzeptieren. Sie fangen an, an mir herumzunörgeln, mich zu kritisieren, mich abzuwerten und schlussendlich läuft es immer auf dasselbe heraus:

 

a1)

Sie erklären mir wortreich und herabwürdigend, dass sie jetzt kein „Verständnis“ dafür hätten.

 

a2)

Sie erklären mir, dass ich in ihren Augen schlicht und einfach falsch bin.

 

Das hat dazu geführt, dass ich auf solche Anwürfe überhaupt nicht mehr oder nur sehr ausweichend reagiere. Aber ich setze mich nicht mehr damit auseinander. Wenn jemand beschlossen hat, kein Verständnis für mich zu haben, dann ist das sein gutes Recht. Wenn jemand der Meinung ist, dass ich falsch bin, und dass ich mich ändern müsste, um richtig zu sein, dann hat er aus seiner Sicht bestimmt recht. Aber ich vergeude dann keine Zeit mit Erklärungen: Die Welt dieses Menschen ist festgefügt - was soll ich ihm erklären? Da könnte ich auch versuchen, einen Becher, der keinen Boden hat, am Wasserhahn mit Wasser zu füllen.

 

 

b)

Irgendwann kommen diese Menschen auf mich zu – manchmal Jahre später. Sie erklären mir wortreich, dass sie jetzt diese und jene Erfahrung gemacht hätten, und auf einmal verstehen könnten, warum ich mich damals so verhalten hätte.

 

Manchmal sage ich ihnen dann:

„Jeder, der etwas tut, hat einen guten Grund dafür, dass er es tut – viertes Axiom der aristotelischen Logik.“

Meistens sage ich aber nichts.

 

Denn was passiert hier?

Die Menschen entwickeln erst dann „Verständnis“ für mich und mein Verhalten, wenn sie bestimmte Erfahrungen gemacht haben. Ich habe aber keine Zeit darauf zu warten, dass irgendwelche Menschen irgendwelche Erfahrungen machen, die sie in den Stand setzen, mir achtungsvoll zu begegnen und mich nicht abzuwerten, nicht an mir herumzukritteln oder herumzunörgeln.

 

Wenn sie sagen:

„Warum hast du denn das schon wieder gemacht?!“, dann sind sie nach meiner Erfahrung nicht an Gründen interessiert, sondern wollen Recht haben und mich abwerten.

 

Entweder du hast wirkliches Verständnis dafür, dass ich etwas tue oder nicht tue, weil ich dafür einen sehr guten Grund habe – auch dann, wenn du gar nicht begreifst, was mich da eigentlich antreibt.

Oder du hast beschlossen, nur das zu akzeptieren, was du auch von dir selber kennst.

 

Im letzteren Fall gilt:

Ich hab‘ keine Zeit.

Ich hab‘ keine Zeit, darauf zu warten, dass du vielleicht irgendwann diese Erfahrung machst, die dich in die Lage versetzt, von deinem hohen Ross herunterzusteigen (Sprachbild) und mich und mein Verhalten zu akzeptieren.

 

Mach‘, was du willst - ich bin woanders und beschäftige mich mit was anderem.

 

 

2

Die Wissenschaft – ach, die liebe Wissenschaft!

 

Oft genug liege ich über Kreuz mit der Wissenschaft. Speziell mit der Neurowissenschaft. Ich höre mir da so viel Stuss an! Ich lese da so viel Mist!

 

Ein einfaches Beispiel:

Regelmäßige Leser meines Blogs wissen, dass ich schon seit langem auf einer Reise nach innen bin, um Heimat zu finden. Heimat, die ich nie in meinem Leben hatte, die ich aber dringend brauche, um mein Leben führen zu können.

 

Dabei tauche ich sehr tief ein in früheste Erinnerungen – Vorgeburtliches, Geburtliches, Nachgeburtliches. Meine Erinnerungen sind sehr plastisch und sehr detailliert. Nicht gerade so, „als wäre es gestern gewesen", aber so, dass ich da oft sehr klar sehe und fühle.

 

Es sind sehr viele, sehr traumatische Erinnerungen, die ich vollkommen vergessen hatte und die nur noch in meinem Körper gespeichert waren. Meine Erfahrung ist: Wenn du etwas wirklich schwerst Traumatisierendes erlebst, dann vergisst du es meistens schon in dem Moment, wo es dir passiert. Dein Gedächtnis und deine Seele können das einfach nicht aufnehmen. Es ist derart schwerwiegend, dass es dich zerreißen und zersprengen würde, wenn du auch nur Spuren des Geschehens erinnern würdest. Dein Körper speichert die Erinnerung, aber er gibt sie erst wieder frei, wenn du ihn freundlich darum bittest und ein entsprechendes Umfeld dafür geschaffen hast. 

 

Und jetzt zitiere ich mal aus der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft (Gehirn und Geist, 5, 2022, Seite 42):

 

„Schon Siegmund Freud glaubte an einen Abwehrmechanismus des Gedächtnisses, der Menschen schreckliche Erlebnisse vergessen lässt, während sie unbewusst weiter davon belastet werden. Und wie eine Befragung in den USA aus den Jahren 2011 und 2012 zeigte, meinen auch heute vier von fünf Psychologiestudierenden in den unteren Semestern, traumatische Erinnerungen würden oft verdrängt. Zumindest teilweise stimmten dem knapp 70 Prozent der befragten Psychoanalytiker und 84 Prozent der US-amerikanischen Allgemeinbevölkerung zu.

 

Dagegen glaubten bloß 27 Prozent der wissenschaftlich arbeitenden Psychologen, dass diese Aussage stimmt. Und nur 24 Prozent der Forscher waren der Ansicht, verdrängte Erinnerungen könnten durch eine Psychotherapie wiedergewonnen werden. In der Gesamtbevölkerung waren dagegen fast 78 Prozent davon überzeugt.“

 

Nach meiner Erfahrung ist das repräsentativ. Wenn du dich mit Menschen unterhältst, die an Universitäten oder in Instituten im Bereich der Neurologie (also der ganze Hirnkram) forschen und lehren, dann erfährst du meistens, dass es dem Menschen unmöglich ist, etwas zu erinnern, was vor seinem dritten Lebensjahr passiert ist. Ist einfach so. Die Forschung hat es schlüssig bewiesen. Die Befundlage ist eindeutig. Finde dich damit ab.

 

Ja, glaube ich euch ja alles. (Seufzer. Riesenseufzer).

 

Ich hab‘ nur Psychologie studiert. Dazu gehörten aber auch zwei Jahre recht intensives Studium des Gehirns und des Nervensystems. Natürlich weiß ich vom Gehirn nicht annähernd das, was ein Professor der Neurologie oder eine Professorin der Psychiatrie weiß.

 

Aber ich weiß dieses:

Verglichen mit dem, was grundsätzlich vom Gehirn zu wissen wäre, wissen wir auch nach mehr als einhundert Jahren der intensiven wissenschaftlichen Forschung buchstäblich nichts. Nicht mal ein Promille des Gehirns und seiner Funktionen ist bislang verstanden.

 

In den vierziger Jahren des letztens Jahrhunderts gab es einen regelrechten Hype um die Neurowissenschaft, weil man glaubte, das Gehirn jetzt vollkommen verstanden zu haben. Ihr wisst schon – Elektroschock und solcher Kram.

 

In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnte man das alles voll in die Tonne kloppen. Neuere Forschungsergebnisse legten schonungslos dar, dass man mit Brutalmethoden wie Lobektomie, Lobotomie oder Elektroschock vor allem zerstörte aber sicher nicht heilte.

 

Dafür war man sich in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts aber vollkommen sicher, begriffen zu haben, welcher Teil des Gehirns wofür zuständig ist. Es entstand ein riesiger Hype um chirurgische Eingriffe im Gehirn, die so ziemlich alles heilen sollten – Serienstraftäter, Triebtäter, Epilepsie … und so weiter: Sag‘ mir, woran du leidest, und ich schneide es dir aus dem Gehirn (oder ich koaguliere dir das, was auf’s selbe hinausläuft) und siehe, du bist geheilt auf immer und ewig.

 

In den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die komplette Ernüchterung vorherrschend:

Wenn man aus dem Gehirn irgendwas rausschnitt, bewirkte man – neben der örtlichen Zerstörung des Gehirns - nur eine räumliche Verlagerung der Hirnfunktionen:

Mit anderen Worten: Wenn du den Bereich im Gehirn operativ entfernst, der für eine Eigenschaft verantwortlich ist, die du loswerden willst, dann packt diese Eigenschaft einfach ihre Sachen und zieht in einen anderen Teil des Gehirns um.

 

Und so weiter.

 

Dasselbe gilt für Medikamente, die auf Funktionen im Gehirn einwirken:

1.    Jetzt haben wir es endlich gefunden – dieses Medikament heilt endlich xyz.

2.    Äh, nee, eher doch nicht. Pech gehabt. Wir müssen neu forschen.

3.    Jetzt aber! Jetzt haben wir aber wirklich und endgültig …

4.    Äh, nee, sorry. Es gibt da ein paar Befunde … wir müssen wohl doch nochmal zurück ins Labor.

5.    Aber jetzt! Diesmal aber wirklich! („Und deshalb: Her mit den Forschungsmilliarden!“) …

6.    Und so weiter ad infinitum.

 

Auf einem großen Kongress, auf dem die neueste internationale Hirnforschung vorgestellt wurde, knöpfte ich mir vor ein paar Jahren in einer Pause mal drei Professoren vor, die da so rumstanden. Einer hatte vorher Forschungsergebnisse aus LA, Calif. vorgestellt, die den neuesten Stand der Alzheimer-Forschung widerspiegelten.

 

Ich trat auf die Gruppe zu:

„Verzeihung, ich habe Ihnen vorhin zugehört. Ich selber bin Psychologe und habe in den 90ern mein Diplom gemacht. Ich habe den Eindruck, seitdem ist die Hirnforschung nicht wirklich substanziell vorangekommen. Mein Eindruck ist: Wir wussten damals kaum was vom Gehirn, wir wissen aber auch heute kaum was vom Gehirn. Ist mein Eindruck richtig?“

 

Die Professoren schauten mich freundlich an. Einer von ihnen – er musste in seinen 60ern sein – ergriff das Wort. Die anderen beiden hörten ihm zu:

 

„Als ich Student der Medizin war, sagte uns unser Professor: „Wenn wir auf das Gehirn schauen, dann ist das so, als würden wir mit einem normalen Fernglas auf dem Jupiter stehen und auf die Erde schauen.“"

Er machte mir das bildlich vor, indem er wie ein einäugiger Piratenkapitän ein imaginiertes Fernrohr vor sein eines Auge hielt, es mit den Händen scharf stellte und intensiv spähte. Dann setzte er sein imaginiertes Fernrohr wieder ab, richtete seinen Blick auf mich und fuhr fort:

 

„Und dann sehen wir durch dieses Fernrohr auf der Erde den Kontinent Afrika und schreien erregt: „Da! Ich seh‘ was! Ich seh‘ was!“ Aber ich sehe nur einen Punkt. Ich sehe nur einen winzig kleinen Punkt! Und in Wirklichkeit ist dieser winzigkleine Punkt ein ganzer Kontinent.“

 

Er schaute mich an und schwieg. Die beiden anderen Professoren schwiegen auch. An ihrer Körperhaltung sah ich, dass sie zustimmten. Dann fuhr der erste Professor seufzend fort:

 

„Und so ist das auch heute. … Wenn das Ihre Frage beantwortet. … Wir sehen nur einen winzigen Punkt, und in Wirklichkeit ist das ein ganzer Kontinent.“

 

Wir schwiegen alle vier ein paar Momente. Dann vollendete er seufzend seinen Gedanken:

 

„… und keiner weiß, ob das jemals anders sein wird.“

 

Ich verneigte mich tief vor den drei Professoren, bedankte mich und ging.

 

 

Solche – dem Thema vollkommen angemessene – Demut erlebe ich äußerst selten, wenn Menschen im Rang eines Professors sich zur Hirnforschung äußern. (Noch viel schlimmer ist es, wenn irgendwelche Laien glauben, aus der aktuellen Hirnforschung irgendwelche (selbstverständlich bahnbrechenden) Erkenntnisse ableiten zu können. Aber dazu habe ich bereits einen anderen Blogtext in Arbeit).

Viel häufiger erlebe ich, dass Forscher mit apodiktischer Sicherheit vortragen, was das Hirn ist und was es nicht ist, wie es funktioniert, wie es nicht funktioniert … und so weiter. (Das hängt natürlich auch sehr stark damit zusammen, dass im Bereich der Neurophysiologie der Professor die meisten Forschungsmilliarden einsammelt und die wichtigsten Posten ergattert, der dem staunenden Publikum die gewagtesten und überzogensten Versprechungen macht).

 

Und was den Themenkreis „Trauma, Gehirn und Gedächtnis“ anbelangt, kann ich solchen Wissenschaftlern nur sagen:

 

„Ich hab‘ keine Zeit!“

Ich hab‘ keine Zeit, darauf zu warten, dass ihr den Unsinn, den ihr heute mit absoluter Sicherheit vortragt, in zwanzig Jahren aufgrund neuerer Forschungsergebnisse komplett über Bord werft, euch wortreich entschuldigt und dann den neuesten aktuellen Irrtum als letzte Weisheit vortragt.

 

Alles, was ihr sagt, passt hundertprozentig zu euren Forschungsergebnissen, keine Frage. Aber Afrika ist ein Kontinent. Ich habe keine Zeit, darauf zu warten, dass ihr die Demut entwickelt, das zu erkennen und zu begreifen. Vielleicht muss man für so eine Demut als Professor auch erst über sechzig Jahre alt werden – ich weiß das nicht.

 

Aber ich hab‘ keine Zeit, darauf zu warten.

 

Ich hab‘ keine Zeit, darauf zu warten, dass ihr das Offensichtliche in euren Forschungsergebnissen wiederfindet.

 

Ich hab‘ keine Zeit!

 

 

Fortsetzung folgt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Vogelspinne (Dienstag, 04 April 2023 13:07)


    Hallo!

    Ich hätte hier eine alternative Formulierung. Zeit haben wir jeden Tag 24h. Wir haben Zeit. Ich habe mir deshalb die Formulierung angewöhnt: Du hast jetzt gerade (vielleicht auch nie) keine Priorität für mich.

    Was ich in der Regel nicht hinzufüge: Zeit habe ich, jeden Tag 24h, aber in dieser Zeit hast du keine Priorität.

    Das ist ehrlich.

    Gruss, Vogelspinne