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Die Sprüche der Ahnungslosen 06 - Ich tue, was ich will

Ich habe ein Seminar im Angebot, in dem ich den Teilnehmern aufzeige, was ein unbewusster Lebensplan ist. Dieser unbewusste Lebensplan wird in der Literatur auch einfach nur „Skript“ genannt.

 

Jeder von uns hat mindestens ein solches Skript. Die meisten von uns haben mehrere davon, die in Schichten übereinander liegen.

Wir alle schreiben uns diesen unbewussten Lebensplan im Alter von null bis etwa drei Jahren. Bis zum Alter von sechs Jahren (manchmal sogar zehn Jahren) nehmen wir noch kleine Veränderungen an diesem Lebensplan vor, aber im wesentlichen steht er schon vorher.

 

Dieser unbewusste Lebensplan bindet uns. Er steuert unser komplettes Leben. Wir können nur das tun, fühlen, denken und wahrnehmen, was unser unbewusster Lebensplan zulässt.

Mit anderen Worten:

Solange du deinem unbewussten Lebensplan folgst, lebst du nicht, sondern du wirst gelebt. Du bist dann die Hardware, auf der dein Leben läuft. Dein Skript ist die Software.

 

Wir verstauen diesen Lebensplan in dem Teil von uns, der magisch denkt. Dort ist er für uns als Erwachsene (beinahe) unsichtbar und auch nicht so ohne weiteres erreichbar. Er ist bewusstseinsfähig aber nicht bewusstseinspflichtig.

 

In diesem Seminar zeige ich den Teilnehmern auf, was das Skript ist, woran man es erkennt, wie es entsteht, welche Funktionen hat, wie es wirkt – und so weiter.

 

Ungefähr achtzig Prozent der Seminarteilnehmer geben mir dann zu verstehen:

„Sowas gibt es in mir nicht.“

„Sowas habe ich nicht.“

„Das kenne ich nicht. Sowas gibt es nicht in meinem Leben.“

 

Tja.

Oft genug ist es sehr schwer für mich, mich verständlich zu machen.

Und wenn die Menschen das Offensichtliche nicht sehen wollen, selbst, wenn es direkt vor ihrer Nase ist, dann ist das ihre Entscheidung.

 

Es gibt Möglichkeiten, sich sein Skript bewusst zu machen. Und es gibt Möglichkeiten, sein Skript auszuhebeln und ein anderes Leben zu leben. Aber dieser Weg ist lang. Seeeeehr lang. Und beschwerlich ist er auch. Überaus beschwerlich. Die wenigsten Menschen, die ich kenne, wollen diesen Weg gehen. Das kann ich sehr gut verstehen. Und fast alle, die ich erlebe, die diesen Weg gehen, bleiben irgendwann stehen und sagen:

„So, jetzt ist aber auch genug!“

 

 

Faszinierend ist es für mich, wenn mir solche Menschen allen Ernstes und voll innerer Überzeugung sagen:

„Ich tue, was ich will.“

 

Ach, tatsächlich?

Tust du das?

 

Das ist so ähnlich wie wenn Menschen mir allen Ernstes und voll innerer Überzeugung sagen:

„Werbung beeinflusst mich nicht.“

 

Ja, das ist auch der Grund, warum Milliarden und Abermilliarden in Werbung investiert werden – weil die Investoren bei ihren Untersuchungen festgestellt haben, dass Werbung das Verhalten der Menschen nicht beeinflusst. (Ironie).

 

Die Menschen denken also allen Ernstes, dass sie tun, was sie wollen.

Aber in Wirklichkeit tun sie das, was ihnen ihr Skript vorschreibt. Oder präziser: Sie dürfen in dem Rahmen wollen, den ihr Skript ihnen vorgibt. Ihnen ist es unmöglich, irgendwas zu wollen, was das Skript verbietet. Ihr Skript schreibt ihnen bis ins Detail vor, wie sie zu leben haben.

Sie wollen nicht, sie werden gewollt.

 

Dein unbewusster Lebensplan steuert aber nicht nur dein Wollen und das, was du nach außen darstellst. Er steuert auch – und das ist für mich viel wichtiger –, wie du dich nach innen (also zu dir selber) verhältst, und was du dabei erlebst.

Anders ausgedrückt:

Wie du mit dir umgehst und was du dabei fühlst oder nicht fühlst, das hast du auch in deinen unbewussten Lebensplan hineingeschrieben. Und diesem unbewussten Lebensplan folgst du so wie ein Computer seiner Programmierung folgt.

 

Selbstverständlich bestimmt dein unbewusster Lebensplan auch, was du denkst und was du nicht denkst. Wenn sich bei dir irgendwelche Gedanken abzeichnen, die gegen deinen unbewussten Lebensplan verstoßen, wirst du feststellen, dass es dir unglaublich schwer fällt, diese Gedanken zu denken und dass du diese Gedanken direkt danach wieder vergisst.

 

Ich kenne einen Menschen, der mir viel bedeutet, der in seinen unbewussten Lebensplan hineingeschrieben hat, dass er dumm ist. Gleichzeitig weist dieser Mensch fast alle Anzeichen eines Hochbegabten auf: Er lernt unheimlich schnell und gründlich. Er ist im Kopf ungemein wendig. Er ist sehr vielseitig interessiert. Er kann messerscharf denken und macht kaum logische Fehler … und so weiter.

Dieser Mensch setzt einen großen Teil seiner Intelligenz dafür ein, sich und anderen vorzumachen, dass er dumm ist – oder höchstens normal begabt. Dabei stellt er sich derart geschickt und gescheit an, dass es mir immer wieder die Sprache verschlägt.

Manchmal weise ich ihn auf diese Widersprüche hin: Die Argumente, die du bringst, warum du nicht hochbegabt sein kannst, sind derart gescheit, dass das eindeutig auf Hochbegabung schließen lässt.

 

Dieser Mensch reagiert dann so wie die meisten Menschen reagieren, deren Skript tangiert wird:

Er befiehlt gereizt und unwirsch, dass nicht mehr über dieses Thema gesprochen werden darf.

Es ist ihm einfach zu heikel.

Er will sich lieber mit was anderem beschäftigen.

Er will nicht mehr darüber reden.

Das ist sein gutes Recht.

 

Dein Skript bestimmt, welchen Beruf du ausüben darfst.

Dein Skript bestimmt, ob und in welchem Maße du in deinem Beruf erfolgreich bist.

Dein Skript bestimmt, wie du deine Beziehung führst.

Dein Skript bestimmt, in welchem Maße du gesund bist.

Dein Skript bestimmt, ob du Freude im Leben hast.

Dein Skript bestimmt, ob du Freunde hast und welche Freunde du hast.

Dein Skript bestimmt in starkem Maße, wie gescheit du bist.

Dein Skript bestimmt, ob du Geld hast oder nicht.

Dein Skript bestimmt, ob du geschickt oder ungeschickt bist.

Dein Skript bestimmt, was du willst und was du nicht willst.

Dein Skript bestimmt, was dir gelingt und was dir nicht gelingt.

Dein Skript bestimmt, wie du deine Freizeit verbringst.

Und so weiter.

Und so weiter.

 

Du kannst das alles aushebeln und ändern. Das Wissen dafür ist allgemein zugänglich und allgemeinverständlich. Du musst dafür auch nichts glauben – das alles ist vollkommen logisch, in sich schlüssig und nachvollziehbar. Aber der Weg ist lang. Sehr lang. Und er ist ziemlich beschwerlich.

Dieser Weg hat nach meiner Erfahrung beinahe nichts mit Positivem Denken zu tun.

 

Natürlich ist nicht alles, was du in deinen unbewussten Lebensplan geschrieben hast, negativ oder schädlich. Eher im Gegenteil. Vermutlich ist das meiste, was in deinem Skript steht, positiv oder zumindest nicht schädlich. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die zum Beispiel im Beruf unglaublich erfolgreich sind: Sie eilen von Erfolg zu Erfolg – die Erfolge scheinen ihnen mühelos geradezu zuzufliegen.

Ja, wenn du in deinen unbewussten Lebensplan hineingeschrieben hast, dass du beruflich erfolgreich bist und dass dir der Erfolg leicht fällt, dann sieht dein Berufsleben so aus. Herzlichen Glückwunsch.

 

 

Ich begegne immer wieder Menschen, die mir voller Überzeugung sagen:

„Ich tue, was ich will!“

Manchmal, ganz selten, antworte ich ihnen:

„Beeinflusst dich Werbung?“

(Eins meiner Lebensmottos ist: „Jeder Tag ist ein guter Tag, um an seinem Ruf als Spinner zu arbeiten.“)

 

In den allermeisten Fällen sage ich aber nichts.

 

Ob du lebst oder gelebt wirst, das ist deine Entscheidung.

Ich mach‘ da nichts dran.

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Kommentare: 3
  • #1

    Pascale (Sonntag, 12 Februar 2023 09:58)

    Es gibt Momente auf der Reise nach Innen, in denen man stehenbleiben und sich in einem Mausloch verkriechen möchte.
    Weil man Angst hat, nach dem letzten Schritt den man machte und der sich als falsch herausstellte, den nächsten zu machen.

  • #2

    Stiller (Sonntag, 12 Februar 2023 13:19)

    In meinen Seminaren erzähle ich manchmal eine Geschichte, die ich in einem Buch gefunden habe:

    Im alten China lebte in einem Dorf ein armer Schuster. Eines Tages lief ihm ein prächtiges Pferd zu. Keiner wusste, wo es herkam, aber es schien sich bei dem Schuster sehr wohl zu fühlen. Die damaligen Gesetze waren so, dass jeder ein herrenlos zugelaufenes Tier behalten durfte, wenn sich der Besitzer nicht in einer Frist von 30 Tagen meldete. Die 30 Tage vergingen. Niemand meldete sich. Der Schuster war jetzt der rechtmäßige Besitzer dieses stolzen Pferdes. Auf einmal war er der bei weitem reichste Mann im Dorf.
    Und alle Dorfbewohner beglückwünschten ihn:
    "Was für ein Glück du gehabt hast!"
    Der Schuster zuckte nur mit den Achseln:
    "Ob das ein Glück war?"

    Einige Wochen später ritt der älteste Sohn des Schusters mit dem Pferd aus. Das Pferd scheute vor einer Schlange, stieg auf und warf den Sohn ab. Der Sohn des Schusters verletzte sich schwer. So schwer, dass sein eines Bein für immer gelähmt blieb.
    Und alle Dorfbewohner bedauerten den Schuster:
    "Du hattest völlig recht! Jetzt ist dein Sohn auf immer ein Krüppel! Was für ein Pech, dass dir dieses Pferd zugelaufen ist!"
    Der Schuster zuckte nur mit den Achseln:
    "Ob das ein Pech war?"

    Einige Monate später fielen die Barbaren des Nordens in China ein. Sie plünderten, brandschatzten und vernichteten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Der Kaiser ließ schleunigst mobilmachen. Und so kamen in jede Stadt und in jedes Dorf Chinas Beamte des Kaisers, die jeden waffenfähigen jungen Mann musterten. Auch im Dorf des Schusters nahmen die Beamten jeden waffenfähigen jungen Mann mit. Nur der Sohn des Schusters blieb verschont, denn er war ja gelähmt. Es war großes Jammern und Wehklagen im Dorf. Und die Dorfbewohner sagten zum Schuster:
    "Du hattest vollkommen Recht! Wer weiß,ob wir unsere Söhne jemals lebend wiedersehen. Dein Sohn ist verschont geblieben. - Was hattest du für ein Glück, dass dir dieses Pferd zugelaufen ist!"
    Der Schuster zuckte nur mit den Achseln:
    "Ob das ein Glück war?"

  • #3

    Pascale (Sonntag, 12 Februar 2023 16:41)

    Vielen Dank für die Geschichte.
    Vielleicht verstehen wir.

    Alles ist im Wechsel.
    Nichts ist nur schwarz oder weiß.

    Auf dem Weg nach Innen geht es möglicherweise nicht darum, ob die Schritte, die man macht „richtig“, oder „falsch“ sind.
    Hauptsache, man bleibt nicht stehen.