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Das Jahr der Geburt - Teil zehn - Epilog

*** Achtung bitte, dieser Text enthält Triggerkram. ***

 

 

Wenn dieser Text erscheint, dann ist der Frühsommer in den Spätsommer übergegangen. Die Kinder sind aus den großen Ferien zurück, und viele von ihnen werden in der Schule davon berichten zu haben, wie sie ihre Ferien verbrachten.

 

Wir haben diese Serie von Texten geschrieben, um mal zu veranschaulichen, womit wir uns das ganze Jahr 2021 (und am Anfang von 2022) beschäftigt haben.

Wir wissen nur wenig davon, wie andere Menschen ihr Leben ausgestalten, was sie antreibt, und was sie noch alles erreichen wollen in ihrem Leben. Wenn wir uns anhören, was sie den ganzen Tag so tun, und was sie beschäftigt, dann zucken wir innerlich meistens mit den Achseln: Es gibt nichts, was uns verbindet – unser Weg ist ein anderer. Macht ihr euer Zeug, wir machen unseres. Wir wollen nicht so leben wir ihr – auf keinen Fall. Auf der anderen Seite sind wir uns vergleichsweise sicher, dass ihr nicht so leben wollt wie wir.

 

Wie haben wir unser Jahr 2021 verbracht? – Wir haben das Jahr der Geburt erlebt. Und wir sind weiterhin unterwegs. Im Moment (- wir schreiben das hier im Frühjahr 2022 nieder -), sind wir mit dem zugange, was wir den „D-Faktor“ nennen. Und das ist das absolut Übelste, womit wir uns je beschäftigt haben. Wir wissen zur Stunde noch nicht, was dem an konkreten Erfahrungen aus unserer Kindheit zugrundeliegt. Wir haben bislang nur vage Ahnungen. Aber es beschäftigt uns stark, und angenehm geht anders. Angenehm geht wirklich anders.

 

Aber es scheint ein Naturgesetz zu sein:

So schlecht, wie es uns gehen kann, so gut kann es uns auch gehen. Mit anderen Worten: Wenn wir wollen, dass es uns in unserem Leben richtig gut geht, dann müssen wir auch zulassen und akzeptieren, dass es uns richtig schlecht geht. Das eine scheint nicht ohne das andere zu gehen. (Gemeinerweise ist, dass es dir schlecht geht, keine Garantie dafür, dass es dir irgendwann auch mal wieder gut geht. Es sind zig Konstellationen denkbar, in denen du dein ganzes Leben damit zubringst, dass er dir nur schlecht geht. Aber wenn wir wollen, dass es uns gut geht, dann müssen wir das Schlechtgehen zulassen und akzeptieren).

 

Also:

In dem Maße, wie wir dieses Schreckliche in uns wiederfinden und wiedererleben, gewinnen wir auch an Lebensqualität. Letztens kamen unsere Kleinen ganz begeistert auf uns zu und sagten uns:

„Wir leben ein goldenes Leben!“

 

Wir wollen mit keinem von euch tauschen.

Unsere Kleinen leben ein goldenes Leben, keine Frage. So gut wie es ihnen jetzt geht, ist es ihnen noch nie gegangen.

 

Genauso sicher sind wir aber auch, dass keiner, der recht bei Trost ist, mit uns tauschen will. Wenn du durch das durchgegangen bist, was wir wiedergefunden haben, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass du tatsächlich ein „goldenes Leben“ findest. Aber das wird laufend abgelöst von Zeiten, wo es dir wirklich finster geht.

 

Aber so ist das nun mal. Das ist unser Schicksal. Wir können uns unser Schicksal nicht aussuchen, und wir können es nicht ändern. Wir können nur lernen, konstruktiv mit ihm umzugehen und das beste daraus zu machen. Damit meinen wir nicht, dass wir uns mit unserer Not und unserem Elend häuslich einrichten und das verwalten. Nein, uns geht es immer um Heilung. Uns geht es immer darum, dass es vorangeht. Niemals werden wir uns damit abfinden, dass irgendeine seelische Verletzung nicht heilen kann oder wir uns mit unserem Elend häuslich einrichten müssen. Niemals werden wir uns damit abfinden, dass wir kein besseres Leben finden oder einen von uns auf diesem Schlachtfeld zurücklassen müssen.

 

Also werden wir weiter machen.

 

In den letzten Wochen beschäftigen wir uns ganz stark mit einem Phänomen, das wir den D-Faktor nennen. Das hat dazu geführt, dass Erinnerungen in uns wach wurden, die alles, was wir bis jetzt erlebt und wiedergefunden haben, bei weitem toppen. Das ist weder schön noch nett, aber es ist notwendig, dass wir uns das anschauen, dass wir da hineingehen und da hindurchgehen.

 

Uns interessiert, was das für Situationen sind, die sich da ganz schemenhaft in uns andeuten. Uns interessiert, was wir da wiederfinden werden. Obwohl das so derart unangenehm ist, werden wir davon wie magisch angezogen.

 

Und selbstverständlich interessiert uns auch, was wir finden werden, wenn wir auf der anderen Seite dieser Situationen wieder herauskommen.

 

Bis dahin kann es aber noch ziemlich lange dauern. Und bis dahin sind wir da drin, in diesen Situationen.

Ob wir jemals darüber berichten werden, ist zur Stunde noch sehr ungewiss, weil es derart schrecklich ist.

 

Aber dieser Blog ist der Bericht über eine Forschungsreise – unsere Forschungsreise. Und wie jeder Forschungsreisende, der berichtet, lassen wir in unserem Bericht hier und da das eine oder andere weg, was wir erlebt und gefunden haben. Das ist eben so bei Berichten über Forschungsreisen. Worüber man nicht reden kann, sagt Wittgenstein, darüber muss man schweigen.

 

 

Wir wünschen euch von Herzen alles Gute.

 

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