Das Jahr der Geburt - Teil 2 – 17 Jahre Pause, Mordversuche und Wikingerverheißung

*** Achtung bitte, der Text enthält Triggerkram ***

 

 

Als ich 38 Jahre alt war, habe ich meine erste Psychotherapie beendet. Nicht, dass ich nach 16 Jahren geheilt gewesen wäre. Ich war mit 22 zwar angetreten, um ein neues Leben zu bekommen, und das hatte ich erreicht. Aber es war noch vieles in mir ungeheilt und unerlöst. Doch waren zum einen die beruflichen und familiären Bedingungen in meinem Leben so, dass es sehr schwer war, weiterhin so viel Zeit und Geld für eine wirksame Psychotherapie aufzubringen. Und zum anderen drehte ich mich in der Therapie nur noch im Kreis. Offenbar hatte ich bei meinem Therapeuten alles gelernt, was ich von ihm lernen konnte. Es war also mal wieder Zeit, aufzubrechen und weiter zu ziehen.

 

Viele Jahre lang reihten sich dann in meinem Leben Krisen an Krisen. Berufliche Krisen und familiäre Krisen wechselten einander immer wieder ab. Es war immer was los. Und immer war ich in einer Totalität gefordert, die für Therapie oder dergleichen keinerlei Raum ließ. Wenn du dein Haus löschen musst, dann befasst du dich nicht mit einem Architekturstudium.

 

Aber das, was in mir unerlöst und ungeheilt war, war weiterhin sehr präsent in mir. Ich wusste nicht, worum es konkret ging, aber der Leidensdruck, der mich aufforderte: „Mach eine Therapie! Mach eine Therapie!“, der war beinahe unablässig da. Ich vertröstete meine Kleinen und meine unerlösten Innenteile Jahr für Jahr:

Noch konnten wir keine Psychotherapie machen. Noch war ich so derart in Krisen eingebunden, dass ich dem keinen Raum geben konnte. Aber diese Zeit würde kommen (wenn wir nicht vorher sterben würden), das konnte ich meinen Kleinen und meinen Innenteilen versprechen.

 

Als ich 43 Jahre alt war, hatte ich mal die Gelegenheit, das, was in meinem Körper war, einem NT vorzustellen, der in meinem Leben war. Dieser NT hatte eine medizinische Ausbildung, wir vertrauten einander, und ich konnte sicher sein, dass er nicht davonrennen würde, wenn ich ihm zeigen würde, was in mir war.

 

Ich begab mich in seinem Schutz für kurze Zeit kontrolliert in diesen tranceartigen Zustand, in dem ich in einen anderen Bewusstseinszustand wechsle und der Körper spricht. Ich ließ den Körper ausdrücken, was er mir immer wieder zeigte, was ich aber nicht verstehen konnte. Nachdem ich wieder in meinen Normalzustand gewechselt hatte, fragte ich den NT:

„Was hast du gesehen?“

Und dieser NT antwortete ebenso spontan wie sicher:

„Einen Abtreibungsversuch.“

Oha!

Das passte zu dem, was ich immer wieder fühlte, war aber derart gravierend, dass ich das auf gar keinen Fall ohne kompetente Begleitung angehen konnte. Und wegen der chronischen Krisensituation, in der ich damals lebte, war gar nicht daran zu denken, das in naher Zukunft anzugehen.

 

Aber meine Kleinen und meine Innenteile wussten, dass wir irgendwann all diese Dinge angehen würden. Aus unserer gemeinsamen Vergangenheit hatten sie die Sicherheit und das Vertrauen entwickelt:

„Der Papa hält seine Versprechen.“

Aber ich konnte ihnen absolut nicht sagen, wann das sein würde.

So litten wir also ständig und sehnten uns nach Erlösung und Heilung, und die Jahre gingen ins Land – eins nach dem anderen. Krise folgte auf Krise, und wir waren immer gefordert bis auf Anschlag.

Wenn du dein Haus löschst, dann beschäftigst du dich nicht mit einem Architekturstudium.

 

Dann kam dieser Tag im Hochgebirge, als wir mitten im dichtesten Nebel auf knapp 3.000 Metern Höhe von einer Sekunde auf die andere wussten:

„Jetzt!“

Und meine Kleinen gaben mir ultimativ auf, eine Machbarkeitsstudie anzufertigen, ob die Reise ans Ende der Welt möglich war. Was dann folgte, habe ich in einem anderen Blogtext beschrieben. Siehe hier.

 

Nachdem wir mit den sechs Türen durch waren, kamen die ganzen Mordversuche unserer leiblichen Eltern. Wir fanden – unter anderem - dieses:

 

Wir waren noch kein Jahr alt, da hatten wir schon zig Situationen hinter uns, die wir nur ganz knapp überlebt hatten. Unser leiblicher Vater hatte uns mit Zementpulver zugeschüttet, als wir ein paar Monate alt gewesen waren. (Oder es war Verputzpulver gewesen? - Wir haben das nie recht auseinanderhalten können). Falls ihr das noch nie erlebt habt, wie das ist, wenn ihr so mit Zementpulver zugeschüttet werdet, dass ihr darin komplett verschwindet – ihr habt nichts verpasst. Zunächst mal: Du erstickst. Ich kann euch versichern, dass das ein extrem unangenehmer Tod ist. Dann – wenn es dir irgendwie gelingt, dich daraus zu befreien, dann hast du dieses Zeug buchstäblich überall: Lunge, Mund, Luftröhre, Speiseröhre, Augen, Haare, Nase, Kopf: Alles voll mit diesem Zeug. Es tut höllisch weh und diesen Geruch wirst du nie wieder los. – Und nochmal: Zusätzlich erstickst du auch noch – langsam und qualvoll … braucht kein Mensch, sowas.

 

Unsere leibliche Mutter sperrte uns in den stockdunklen Keller, als wir ein Jahr alt waren. Und wir hatten eine so fürchterliche Angst vor der Dunkelheit! Wir schrien wie am Spieß und bollerten gegen die Tür. Aber sie ging ganz einfach weg. Wir machten weiter – völlig verzweifelt, voller Todesangst. Irgendwann – nach einer Ewigkeit kam sie dann wieder. Sie riss total verärgert die Tür auf und mit einem wuchtigen Schlag aus dem ganzen Arm schlug sie uns so, dass wir diese lange, steile steinerne Treppe in den Keller hinunterpurzelten. Als wir unten aufschlugen, war sie schon wieder weg und die Tür war wieder zu. Und alles war vollkommen dunkel. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, wie sowas für ein Kleinkind ist, und was so eine Erfahrung mit dem Verstand anstellt – aber ich kann euch versichern: Auch hier habt ihr nichts verpasst. Tod durch Angst vor der Dunkelheit ist sehr unangenehm.

 

Und so reihte sich Mordversuch an Mordversuch. Das ging in der Therapie monatelang, und unsere leiblichen Eltern waren echt einfallsreich gewesen. In ihrem Hass gegen uns und in ihrer Gewalttätigkeit kannten sie kein Maß und keine Grenze. Wir erlebten es einmal, dass der Schäferhund, den sie als Wachhund hielten, dazwischengehen musste, weil sie uns sonst umgebracht hätten.

 

Wir wurden in einen Wäschekorb gestopft, damit wir da zwischen der Wäsche ersticken sollten und das als Unfall deklariert werden konnte. Mit derselben Absicht wurden wir in einen Schrank gestopft. Auf uns wurde mit tödlicher Absicht draufgehauen. Wir wurden unter Wasser gedrückt. Wir wurden zwischen zwei große Bretter geklemmt und irgendwas ganz schweres wurde dann auf uns draufgelegt. Und so weiter. Das nahm gar kein Ende mehr.

 

Kindheit – speziell ganz frühe Kindheit - geht normalerweise anders, wir wissen das. Aber das hier war eindeutig unsere Geschichte. Monatelang hielten wir uns in der Therapie bei diesen Mordversuchen auf (bei einem Termin pro Woche), und unser Körper wurde mal wieder umgebaut. Wir spürten zum Beispiel, wie unsere Lunge, die chronisch krank war, seit wir denken konnten, begann zu heilen.

 

Zwischen all die Mordversuche schob unser Körper noch das ein, was wir später die Wikingerverheißung nannten. In unserer Bilderwelt trafen wir in einer bergigen Waldgegend auf einen Trupp Wikingerkrieger. Das waren stolze, hochgewachsene und kühne Männer: Oberarme so dick wie anderer Leute Oberschenkel, wilder Bartwuchs, ungezähmtes Haupthaar, blitzende, klare Augen – alles, was echte Wikingerkrieger eben so brauchen. Und jede Menge Waffen – Langschwerter, Äxte, schwere Rundschilde … Wären wir weiblich und hetero, dann wären wir ihnen vermutlich sofort mit Haut und Haaren verfallen gewesen. Wir sind aber männlich und hetero. Und deshalb fragten wir sie nur, was eigentlich los war.

 

Diese Krieger hatten schwere Probleme mit dem Feind und freuten sich sehr, als ich mit meinem Sauhaufen da auftauchte. (Für die, die diesen Blog nicht regelmäßig lesen: Der Sauhaufen ist meine Leibgarde schwerbewaffneter Krieger. Er begleitet mich immer in meiner Bilderwelt, wenn ich in der Therapie auf der Matte liege).

 

Sie erzählten uns, dass sie in eine Höhle mussten, um den Feind zu bekämpfen. Aber so kühn, stolz und tapfer sie auch waren – sie trauten sich da nicht rein. Der Feind hatte starke magische Kräfte und war ihnen deshalb trotz aller Körperkraft, Tapferkeit und Kampferfahrung haushoch überlegen.

 

Mit Magie in meiner Bilderwelt kenne ich mich durchaus aus. So schnell bin ich da vor nichts bange. Ich ließ mir also den Weg zur Höhle zeigen. Und meine Kleinen pfiffen durch die Zähne, als wir sie sahen:

„Na sieh mal an!“

Es war exakt die Höhle, die wir vor 23 Jahren in der Therapie gefunden hatten, als der Hüter des Misstrauens uns den Zutritt verwehrt hatte.

Sofort spürten wir alle die Anwesenheit des Feindes und seine bösartige, lauernde, feindliche Magie.

 

Die Wikingerkrieger warnten uns, da rein zu gehen.

Aber ich bin der Meister.

Und der Meister geht da rein.

Und der Sauhaufen ging mit rein.

 

In der Höhle stand wieder dieser große, schwarze, altarartige Stein.

Auf dem Stein lag ein gefesselter kleiner Junge. Der sollte dem Feind geopfert werden. Bald würde der Feind kommen und ihn sich holen.

 

Ich gab dem Sauhaufen sofort den Befehl, den Altar von allen Seiten zu umstellen. Wir wussten nicht, aus welcher Richtung der Feind kommen würde. Aber dieser Junge würde ganz sicher nicht geopfert werden. Ich ging zum Altar und band den Jungen los. Dann ließ ich ihn in den Garten bringen. Der Feind rührte sich nicht. Er spürte, dass wir da waren. Wir spürten, dass er hier irgendwo in der Nähe war. Seine bösartige Magie wurde stärker und stärker und stärker. Es war, als ob die Luft vor Bösartigkeit knistern würde.

 

Der Sauhaufen fragte mich, was ich jetzt machen wollte. Ob ich mich jetzt auf den Altar legen wollte, um dem Feind vorzutäuschen, dass alles in Ordnung sei.

Ich befahl:

„Hier wir nie wieder irgendjemand geopfert. Wir lassen niemanden zurück.“

„Aber dann wird der Feind kommen und angreifen!“

„Darauf wird das hinauslaufen, ja. Deshalb sind wir hier.“

Die Wikingerkrieger draußen vor der Höhle erschauerten.

Und auch uns war wirklich nicht wohl bei der Sache.

Und dann griff der Feind an.

 

An diesem Tag lernten wir in der Therapie dieses:

Sehr wahrscheinlich hatten unsere leibliche Mutter und unser leiblicher Vater schon bei ihrer allerersten Begegnung unbewusst diesen Pakt geschlossen:

„Wir werden viele Kinder in die Welt setzen. Und wir werden sie alle opfern. Alle, ohne jede Ausnahme. Wir werden sie alle opfern, damit wir selber ein bisschen länger leben dürfen.“

Die Bilder, die wir in unserem tranceartigen Zustand dazu fanden, waren sehr, sehr eindeutig.

 

Der Feind kam rasend vor Wut und vor Todesangst. Er kämpfte um sein Leben.

Hier musste geopfert werden, damit er nicht sterben musste.

Ich als Meister hatte aber befohlen, dass hier nie wieder geopfert werden würde.

Der Feind hatte mit einem Trupp Wikingerkrieger gerechnet.

Er traf aber auf den Meister und seinen Sauhaufen. Und der Meister kennt sich mit Magie durchaus aus.

Es wurde ein heftiger Kampf.

Wir schlugen den Feind zurück.

 

Viel später im Verlauf dieses Tages trafen wir die Wikinger an einem Meeresstrand, wo ihr Drachenschiff auf der Seite lag.

Es war Abend, es war warm und trocken. Die Stimmung war heiter und gelöst.

Für die Wikinger ging es wieder in Richtung Heimat. Bald würden sie wieder nach Nordosten segeln.

Bevor sie gingen, sagten sie uns noch dieses:

„Du wirst ein schönes Leben haben.“

Das sagten sie mit der ihnen eigenen Sicherheit derer, die in die Zukunft sehen können.

Wir aßen am Strand noch gemeinsam zu Abend, dann waren sie weg.

Und wir alle wussten, dass sie in die Zukunft sehen konnten, und dass sie Recht hatten.

 

 

Nach diesem Erlebnis konnten wir all diese bizarren Mordversuche, die wir als kleines Kind erlebt hatten, besser einordnen:

Wenn deine leiblichen Eltern dich opfern wollen, damit sie selber leben dürfen, dann kannst du davon ausgehen, dass sie dir was antun, wenn diese Angst (die ihnen nicht bewusst ist) in ihnen wieder hochkommt. Und wenn diese Angst in ihnen wieder weniger wird, dann lassen sie wieder von dir ab. Wir haben keine Ahnung, was unsere leiblichen Eltern erlebt haben, als sie selber kleine Kinder waren, dass sie so eine feste magische Überzeugung hatten, nur leben zu dürfen, wenn sie ihre Kinder opferten.

Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass sie es exakt genauso erlebt hatten, als sie selber klein waren: Dass ihre Eltern sie in irgendwelchen bizarren Ritualen opfern wollten, damit sie selber weiterleben durften. Vermutlich irgendeine bizarre, fehlgeleitete Christenscheiße. Die Christen gehen ja davon aus, dass es Liebe ist, wenn ein Vater seinen Sohn zu Tode foltern lässt, damit alle anderen leben dürfen.

Aber genaues wissen wir bis heute nicht.

 

Ungefähr ein Dreivierteljahr reihte sich bei uns in der Therapie Mordversuch an Mordversuch. Das war echt schlimm.

 

 

Dann – mit dem Jahreswechsel 2020 / 2021 spürten wir in der Therapie auf einmal einen ganz eindeutigen Paradigmenwechsel. In der Therapie gab der Körper keine Erinnerungen mehr an Mordversuche in unserer frühen Kindheit frei, obwohl da noch welche sein mussten. Nein, jetzt stellte er um auf eine ganz andere Art der Erinnerung, und davon will ich in den nächsten Texten schreiben.

 

Das komplette Jahr 2021 beschäftigten wir uns in der Therapie ausnahmslos mit Themen, die mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatten. Und so tauften unsere Kleinen dieses Jahr das „Jahr der Geburt“.

 

„Wir fühlen uns wie neugeboren“, sagten sie dann immer wieder.

Und was das in unserem speziellen Fall bedeutete, davon soll in diesem Blog in den nächsten Wochen die Rede sein.

 

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