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Ohne Maske 1 – Bei der Arbeit

Wie jeder AS lebe ich in der Öffentlichkeit stets und ständig meinen Avatar. Und mit „Öffentlichkeit“ meine ich buchstäblich jede Situation, in der NTs Zugriff auf mich haben.

 

Wie jeder AS habe ich angefangen, an meinem Avatar zu arbeiten, als ich ungefähr ein halbes Jahr alt war. Wie vermutlich jeder AS habe ich nie aufgehört, buchstäblich jeden Tag an meinem Avatar zu arbeiten, um ihn zu verbessern und zu verfeinern. Das führte dazu, dass ich im Lauf meines Lebens lernte, unter NTs zu leben. Ohne Avatar wäre mir das völlig unmöglich gewesen. Denn NTs akzeptieren mich nicht ohne Avatar. Sie akzeptieren mich nicht nur ein bisschen nicht, sondern total und allumfassend nicht. So total und allumfassend, dass es sie vermutlich erschrecken würde. Denn die meisten NTs halten sich für gute, besonnene, soziale, tolerante und mitfühlende Menschen. Das sind sie aber nicht. Sie sind es nicht nur ein bisschen nicht, sondern ziemlich umfassend nicht. Dass sie besonnen, sozial, tolerant und mitfühlend sind, gilt nur in ganz engen Grenzen. Sobald ein Mensch diese ganz engen Grenzen mit seinem Verhalten oder mit seiner Art, in der Welt zu sein, verlässt, ist es aus mit besonnen, sozial, tolerant und mitfühlend. Dann wird ausgegrenzt, abgestraft, kritisiert, genörgelt, rumerzogen und therapiert bis zur vollständigen Vernichtung des anderen.

 

Ich bin sicher, dass jeder AS das kennt.

 

Da die meisten NTs dieses Selbstbild haben (besonnen, sozial, tolerant und mitfühlend) und von bemerkenswerter Ahnungslosigkeit geprägt sind, tragen sie oft wie eine Monstranz vor sich her:

„Bei mir brauchst du dich nicht zu verstellen.“

„Bei mir darf jeder sein, wie er ist.“

„Ich sag ja immer: „Jeder Jeck ist anders“.“

„Sei doch einfach, wie du bist.“

„Masken ab, Gesichter frei. Herzen offen – ohne Scheu!“

Und so weiter.

 

Für diese ahnungslosen NTs ist dieser Blogtext geschrieben. (Die anderen dürfen diesen Text natürlich auch lesen). Ich will euch mal aufschreiben, wie ihr mich erleben würdet, wenn ich unverstellt wäre – ohne Maske, ohne Avatar. Und ihr könnt dann entscheiden, ob ihr immer noch überzeugt seid, dass bei euch jeder so sein darf, wie er ist.

 

Da das eine so umfassende Thematik ist, habe ich beschlossen, sie auf mehrere Texte zu verteilen. Heute will ich euch mal schildern, wie ihr mich bei der Arbeit erleben würdet, wenn ich meinen Avatar zuhause lassen würde.

 

Um die Dinge zu vereinfachen tue ich jetzt mal so, als wäre meine Arbeit durch diese Parameter charakterisiert:

Ich arbeite …

… in einem Großunternehmen

… in der der freien Wirtschaft

… im Vertrieb

… in einem Bürojob

 

… und das alles jetzt mal ohne Maske, ohne Avatar.

Und los geht’s.

 

 

Ich komme zur Arbeit

 

Ich parke meinen Wagen im unternehmenseigenen Parkhaus. Spätestens ab jetzt bin ich voll im Arbeitsmodus und voll auf meine Aufgabe konzentriert. Meine Aufgabe besteht darin, für den Kunden zu arbeiten. Denn er ist der Mensch, der uns das Geld gibt, von dem wir hier alle leben. Ohne den Kunden gäbe es dieses Unternehmen gar nicht. Es gibt also nur wenige Fragen, die bei der Arbeit von Belang sind, zum Beispiel:

Was können wir für den Kunden tun, dass er uns weiterhin bereitwillig sein Geld gibt?

Wo können wir für den Kunden noch besser werden?

Was wird der Kunde in der Zukunft von uns erwarten und wünschen?

Welche Probleme des Kunden können wir lösen?

Und so weiter.

 

Alles andere ist völlig ohne Belang.

Bei der Arbeit gruppieren sich Menschen in drei Wichtigkeiten:

 

Die wichtigsten Menschen im Unternehmen

Das sind eindeutig die Kunden. Denn die geben uns das Geld, von dem wir hier alle leben.

 

Die zweitwichtigsten Menschen im Unternehmen

Das sind eindeutig die Kollegen, die mit den Kunden reden. Denn sie überzeugen den Kunden, uns sein Geld zu geben.

 

Die drittwichtigsten Menschen im Unternehmen

Das sind die Kollegen, die über den Kunden reden. Das sind Menschen wie du und ich. Oder der Vorstand. Oder irgendein Chef. Wir sind definitiv nicht so wichtig. Dass wir Arbeit haben und Geld bekommen, können wir jedoch dadurch rechtfertigen, dass wir jederzeit im unmittelbaren Interesse des Kunden handeln. In dem Maße, wie wir bei der Arbeit nicht im unmittelbaren Interesse des Kunden handeln, sind wir überflüssig und überbezahlt.

 

 

Das ist also der innere Status, in dem ich bin, wenn ich im Parkhaus aus dem Auto steige und zum Büro gehe. Du hast gesagt, dass ich bei dir jederzeit ohne Maske sein darf, also darfst du mich heute auch mal so erleben.

 

 

 

Du begegnest mir im Parkhaus oder auf dem Weg von dort ins Büro

 

Vermutlich grüße ich dich nicht. Maximal nicke ich dir kurz freundlich zu. Ich habe nichts gegen dich. Aber warum solltest du mich interessieren? Warum sollte ich dir auch nur eine Sekunde meiner Aufmerksamkeit schenken?

Bist du ein Kunde?

Hast du irgendwas mit meiner Arbeit zu tun?

Geh also mal davon aus, dass ich einfach an dir vorbeilaufe.

Und ich nehme auch keinen Blickkontakt mit dir auf.

 

Dasselbe gilt selbstverständlich für den ganzen Weg bis zum Büro.

Du bist da, und das ist vermutlich völlig in Ordnung. Aber warum sollte ich mich für dich interessieren? Warum sollte ich auch nur eine Sekunde meiner Aufmerksamkeit in dich investieren? Du bist kein Kunde und auch kein potenzieller Kunde, also bist du für meine Arbeit belanglos.

 

 

Ich komme ins Büro

 

Falls du schon da bist, grüße ich dich kurz und wortlos durch Kopfnicken oder Verbeugung. Das war alles an sozialer Zuwendung für den heutigen Tag. Mehr gibt’s nicht. Leb‘ damit.

 

(Und falls du zur Begrüßung Blickkontakt, Händeschütteln, Berührung oder gar Umarmung willst – vergiss es. Das wird auf gar keinen Fall passieren).

 

Ich werde keinerlei Gespräch mit dir führen, das nicht unmittelbar mit der Arbeit zu tun hat. Und mit „Arbeit“ meine ich „Kunden“. Es geht also nicht darum, was du zufällig für „Arbeit“ hältst. Ihr NTs habt da ja manchmal ganz abstruse Vorstellungen. Also – um es auf den Punkt zu bringen:

Wenn ich nicht erkennen kann, auf welche Weise das, was du mir sagen willst, dem Kunden nützen wird, dann findet das Gespräch nicht statt. Da kannst du mich ansprechen, soviel du willst – genausogut könntest du versuchen, deinem Schreibtisch oder einer Blumenvase ein Gespräch aufzuzwingen. Wenn du natürlich zu penetrant wirst mit deinen Versuchen, mich von der Arbeit abzuhalten, dann werde ich umgehend effektive und effiziente Gegenmaßnahmen einleiten. Du kannst mir glauben: Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du nie wieder versuchen, mich von der Seite anzuquatschen. Ich bin hier, um dem Kunden zu nützen, nicht um irgendwelche Bedürfnisse von dir zu befriedigen. Das hier ist kein Sozialzirkus und auch keine beschützende Werkstätte, sondern Arbeit im Auftrag des Kunden. Wenn du das nicht kapierst und beherzigst, dann bist du hier falsch. Dann bestiehlst du den Kunden. Und das werde ich nicht zulassen.

 

 

Ich akzeptiere ein Gespräch mit dir

 

Bevor ich dir schildere, wie ein Gespräch mit dir abläuft, wenn ich es akzeptiere, will ich noch auf zwei grundlegende Dinge hinweisen:

 

a)

Wenn das mit vertretbarem Zeitaufwand zu bewerkstelligen ist, dann findet diese Kommunikation per Email statt.

„Dr. Meierhuber hat für zehn Uhr eine Konferenz in seinem Büro angesetzt“ ist beinahe ebenso schnell gesprochen wie geschrieben. Also wirst du mir eine Mail schreiben, wenn du mir sowas mitzuteilen hast. Und das tust du auch dann, wenn du mit mir im selben Raum sitzt.

Zum einen hab’ ich’s dann schriftlich und kann’s elektronisch weiterverarbeiten und zum anderen war es nicht nötig, Worte auszutauschen. Beides ist sehr wichtig.

 

b)

Für ausnahmslos jedes Gespräch gilt:

Wir beide nehmen keinen Blickkontakt miteinander auf. Solltest du versuchen, Blickkontakt mit mir aufzunehmen, werde ich Maßnahmen in die Wege leiten, die dazu führen, dass du das dauerhaft lässt.

Und selbstverständlich berührst du mich auch nicht während des Gespräches, sondern hältst einen Abstand von ungefähr einem Meter.

 

 

Aber jetzt zu den Inhalten des Gesprächs und zur Art und Weise wie wir miteinander sprechen:

 

Nehmen wir mal an, ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Kommunikation, die du mir anbietest, tatsächlich was mit dem Kunden zu tun hat, also tatsächlich auch Arbeit ist (und nicht das, was du für Arbeit hältst). Dann gilt dieses:

 

 

1

Du sagst mir als erstes, was du von mir willst.

 

2

Du kommst sofort auf den Punkt.

 

3

Du drückst dich knapp und präzise aus und wiederholst dich nicht.

Das, was du sagst, enthält ausschließlich Sachinformationen und kein Sozialblabla. Also kein „Wie geht’s dir?“ und kein „Ach, du bist auch schon hier?“.

Und selbst auf bitte und danke kannst du weitestgehend verzichten, es sei denn, es kommt aus deinem Herzen.

 

4

Wenn du nichts zu sagen hast, dann bist du still.

 

 

Solltest du dich nicht an diese vier Punkte halten, werde ich umgehend effektive und effiziente Gegenmaßnahmen einleiten:

 

 

1

Du sagst als erstes nicht, was du von mir willst.

 

Ich unterbreche dich nach den ersten Worten und frage dich:

„Was willst du von mir?“

Falls du dann weiterplapperst stelle ich dir diese Frage noch einmal.

Wenn du dann immer noch nicht antwortest, entziehe ich dir das Wort. Ich verbiete dir, weiterzureden und setze durch, dass du dich daran hältst.

 

2

Du kommst nicht sofort auf den Punkt.

 

Ich fordere dich einmal auf:

„Komm zum Punkt.“

Wenn du dann weiterplapperst, entziehe ich dir das Wort und gebe dir die Aufgabe, aufzuschreiben, was sagen willst, das in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen und straff und strukturiert zu formulieren.

Du darfst erst dann wieder reden, wenn du mit dieser Aufgabe fertig bist.

 

3

Du willst Sozialblabla äußern.

 

Ich entziehe dir sofort das Wort.

Im Wiederholungsfall verbiete ich dir für die nächste Zeit, dich überhaupt zu äußern. Wenn du mir meine Zeit stehlen willst, dann bist du hier falsch. Wir sind hier für den Kunden. Unser Sozialblabla trägt nicht dazu bei, die Situation des Kunden zu verbessern. Wir werden jedoch hier und jetzt vom Kunden bezahlt. Also ist jedes Sozialblabla in Arbeitsgesprächen Diebstahl am Kunden. Diebstahl am Kunden dulde ich nicht.

 

4

Du bist nicht still, obwohl du nichts zu sagen hast?

Ich verbiete dir zu reden.

Und das setze ich durch.

Verlass‘ dich drauf.

 

 

Soziale Situationen bei der Arbeit

 

Vergiss es.

 

Du hast Geburtstag?

Warum sollte mich das interessieren?

 

Du warst im Urlaub und hast Fotos und jede Menge Geschichten mitgebracht?

Wie schön für dich. Belästige jemand anderen damit. Oder erkläre mir, wie es dem Kunden nutzen wird, wenn ich dir jetzt meine Zeit widme.

 

Du bist Vater oder Mutter geworden?

Das freut mich für dich und deine Familie.

Ich wünsche euch, dass es euch gut geht.

Und jetzt lass‘ mich weiterarbeiten.

Und nein, ich will keine Fotos angucken. Ich weiß, wie Neugeborene aussehen.

 

Du hast ein Dienstjubiläum?

Ich bin sicher, du wirst irgendwen finden, den das mehr interessiert als mich.

 

Dein Wochenende war erfreulich?

Wie schön.

Ich freue mich für dich.

Aber ich werde keinerlei Wort darüber verlieren.

 

Du hast den neuesten Klatsch und Tratsch von der Nachbarabteilung gehört?

Lass mich damit in Ruhe.

 

Du hast gestern mal wieder was ganz tolles im Fernsehen gesehen? (Hartz IV-TV, Talkshow, Fußballländerspiel etc.)

Halt bloß die Klappe!

 

Wir begegnen uns in der Arbeitszeit auf irgendeinem Flur?

Ich werde wort- und grußlos an dir vorbeilaufen und auch keinen Blickkontakt mit dir aufnehmen.

Dasselbe verlange ich von dir: Wenn ich dir auf dem Flur begegne, dann läufst du einfach an mir vorbei.

 

Dein Auto, dein Fußballverein, dein Garten, deine Nachbarn, dein Segelboot, dein kommender Urlaub, deine Blumen, deine Wohnung, dein Geschirr, deine Diät, deine Gesundheit, deine Computerspiele, deine Erlebnisse gestern beim Einkauf, die Weltlage, die Deppen in Berlin, der nahende Weltuntergang, dein Mineralwasser, deine Strafzettel, dein neues Hobby, dein Gespür für Schnee?

Hat das auch nur entfernt irgendwas mit dem Kunden zu tun?

Wenn nicht, dann erzähl es irgendwem anderen aber nicht mir.

 

Du hast Schwierigkeiten mit deinen Kindern?

Für sowas gibt’s Therapeuten. Bezahlt die Krankenkasse. Also lass‘ mich in Ruhe damit. (Dasselbe gilt auch für Schwierigkeiten mit dem Ehepartner, den Schwiegereltern oder wem auch immer. Ich bin nicht dein Sorgentelefon, dein Seelenmülleimer oder dein Therapeut. Und dein Freund bin ich schon gar nicht. Schon vergessen? - Ich bin hier, um dem Kunden zu nützen, denn der bezahlt mich. Sobald du mich bezahlst, können wir darüber reden, dass ich dir zuhöre).

 

Du willst mit mir zum Mittagessen in die Kantine gehen?

Warum um alles in der Welt sollte ich mit dir essen gehen? Wird das dem Kunden nützen? Du willst mich nur wieder volltexten. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Wenn wir beide beim Essen schweigen werden, dann kannst du gerne mitkommen. Ansonsten gehe ich alleine, denn wenn ich alleine esse, dann kann ich ganz sicher sein, dass beim Essen nicht geredet wird.

 

Du willst mich zu irgendwas einladen? (Weihnachtsfeier, Kaffeetrinken nach dem Mittagessen, irgendwas nach Feierabend, irgendwas Gemeinsames?)

Kein Interesse.

Absolut kein Interesse.

Je weniger wir „Gemeinsames“ haben, desto besser für mich.

 

Bedenke bei sozialen Situationen immer dieses: Du willst irgendwas von mir. Ich will nichts von dir. Ich will überhaupt nichts von dir. Ich tue dir gut. Umgekehrt ist das nicht der Fall. Du tust mir nicht gut. Überhaupt nicht. Du hast buchstäblich nichts, was ich gerne hätte (außer Geld, aber das gibst du mir ja nicht). Dich zu kennen oder deine Anwesenheit bringen mir keinerlei Vorteil – keinen konkreten Nutzen, kein Geld, keine Anregung, keinen Spaß, keine Energie, kein gutes Gefühl, keine interessanten Ansichten, keine klugen Gedanken …. Warum um alles in der Welt sollte ich auch nur eine Sekunde mehr mit dir verbringen als absolut nötig? Und ganz ehrlich: Du könntest morgen tot umfallen, und es wäre mit weitestgehend egal. Wenn ich dich mag, würde ich deinen Tod ein paar Minuten bedauern, aber das war’s dann auch schon. Menschen sterben halt. So ist das nun mal. Jeden Tag sterben in Deutschland tausende Menschen. Das ist völlig alltäglich und berührt mich nicht. Es gibt außer unserer Arbeit nichts, was uns verbindet. Es gibt nichts Gemeinsames zwischen uns. Wenn du morgen stirbst, wird irgendjemand deine Aufgabe bei der Arbeit übernehmen, und mit dem werde ich dann zusammenarbeiten. Übermorgen werde ich dich weitestgehend vergessen haben.

 

Deine Art, in der Welt zu sein ist eine starke Belastung für mich. Wenn ich in deiner Gegenwart bin, ist das immer Arbeit für mich. Fast immer ist es sogar recht harte Arbeit. Also warum sollte ich mehr mit dir zusammen sein als absolut nötig?

 

Du hast einen Todesfall in der Familie?

Das nehme ich zur Kenntnis.

Mein Beileid.

Ich wünsche dir, dass dir deine Trauerarbeit gelingt.

(In diesem speziellen Fall würde ich mir sogar die Zeit nehmen, dir zuzuhören und mit dir zu sprechen).

 

 

Zwischenfazit

Wenn du mich bei der Arbeit ohne Maske antriffst, dann gilt dieses:

 

Wenn ich arbeite, dann arbeite ich und sonst nichts. Arbeit hat für mich nichts mit Sozialem, Gemeinschaft oder Bindung zu tun.

Stelle dich also darauf ein:

Wenn du mit mir arbeitest, dann wird gearbeitet.

Und sonst nichts.

Gar nichts.

Wenn du bei der Arbeit Sozialkram, Blickkontakt oder Gemeinschaft brauchst, dann wende dich an irgendeine beschützende Werkstätte oder an irgendeinen NT, dort wird dir weitergeholfen. Aber komm‘ damit nicht zu mir.

Bei mir kannst du nichts dergleichen bekommen.

 

Wenn du mein Kollege bist, dann finde ich dich wahrscheinlich recht nett.

Aber das war’s dann auch schon.

Wir arbeiten zusammen und sonst nichts. Gar nichts. In dem Moment, wo wir zusammenarbeiten, bist du sehr bedeutsam für mich. So wie jeder Moment der wichtigste Moment ist, den es überhaupt gibt, so bist du (außer mir) der wichtigste Mensch, den es überhaupt gibt, wenn wir gerade zusammenarbeiten.

 

Du kannst dir das wir eine Melodie vorstellen:

Eine Melodie besteht aus einem Haufen einzelner Töne. Jeder dieser Töne ist sehr wichtig. Wenn einer fehlt, dann fehlt etwas sehr wichtiges, und die Melodie ist nicht vollständig. Aber jeder Ton hat seine Zeit, in der er erklingt. Wenn er nicht erklingt, dann ist seine Zeit entweder vorbei oder noch nicht gekommen, und er schweigt. Mehr als das: Es gibt ihn praktisch gar nicht. Jeder Ton ist nur dann bedeutsam und existent, wenn er erklingt. Wenn er nicht erklingt, macht er sich in keiner Weise bemerkbar und ist vollkommen unbedeutend. Bedeutsam ist immer nur der Ton, der gerade erklingt.

 

Also:

Wenn wir gerade nicht zusammenarbeiten, dann bist du völlig bedeutungslos für mich. Es gibt nichts, was uns verbindet und auch nichts von Bedeutung, was wir gemeinsam haben. Bitte begreife das:

Es gibt Menschen, die sind in meinem Herzen, die sind mir auch dann wichtig und bedeutsam, wenn ich gerade nicht mit ihnen zusammen bin. Du gehörst definitiv nicht dazu.

 

Und noch was zum Begreifen für dich:

Mit NTs zu tun zu haben ist für mich fast immer Arbeit. Harte Arbeit, schwere Arbeit. Ich liebe meine Arbeit und gehe in ihr auf. Aber ich tue sie, weil ich Geld verdienen muss. Wenn ich kein Geld verdienen müsste, dann würde ich mit Sicherheit was ganz anderes tun. Dräng‘ dich also nicht in mein Leben, außer ich bitte dich von mir aus herein (was beinahe nie vorkommt), oder du bezahlst mich anständig dafür.

 

 

Die sensorische Situation bei der Arbeit

 

Wenn ich bei dir ohne Maske sein darf, dann fliegt bei der Arbeit jeder nicht-funktionale Schmunzipunz raus. Dieser Schmunzipunz kostet mich sehr, sehr viel Kraft – also weg damit!

 

Bilder oder Fotos an den Wänden?

Folter für die Augen - braucht kein Mensch: Weg damit!

 

Irgendwelche Verzierungen oder Schnörkel an Wänden, Möbeln, Werkzeugen oder anderen Gegenständen? – Weg damit!

 

Radio und andere elektronische Krachmacher – ich glaube, das ist selbstverständlich:

Solltest du ein Radio anmachen oder dein Handy gibt auch nur einen einzigen Ton von sich, dann wirst du dich davon überzeugen können, dass auch elektrische Geräte den Gesetzen der Schwerkraft folgen, wenn sie aus dem Fenster geworfen werden.

 

Teppiche? – Schmucklos und schlicht bitte.

Dasselbe gilt für das Geschirr in der Kantine, für Tapeten, Aufzüge und alles andere:

Das hat alles schmucklos, funktional und schlicht zu sein. Ich will keine Ornamente oder Muster sehen – meine Sinne haken daran fest und es kostet mich sehr, sehr viel Kraft, die zusätzliche Information, die diese Schnörkel in mein Leben bringen, aus meinem Leben wieder herauszurechnen. Glaub‘ mir – bei mir daheim gibt es in dem Bereich, den ich bestimme und beherrsche, keinerlei Schmuck, Fotos, Bilder oder Ornamente. Alles ist funktional und schlicht. Und die vorherrschende Farbe ist tatsächlich schwarz. Nur das Geschirr ist weiß, und das Besteck ist silbern – aber schlicht. Schwarz ist die einzige Farbe, die mir nicht in den Augen weh tut. Dunkelbraun, dunkelblau oder holzfarben geht auch. Und die Tapeten können gerne weiß oder beige sein. Aber das war’s dann auch schon.

 

Und selbstverständlich sind die allermeisten Räume und Gänge abgedunkelt. Sie sind das ständig, denn bei dir darf ich ja ohne Maske sein.

 

 

Ja, liebe NTs, herzlich willkommen in meiner Welt.

Wenn ich arbeite, dann wird gearbeitet – und sonst nichts. Gar nichts.

Und alles, was ein Gegenstand über das funktional absolut nötige hat, ist zuviel und kommt weg. Das gilt für jeden Gegenstand und für jede Sache. Schlicht, funktional, gedeckte Farben, abgedunkelte Räume und Gänge. Und denke immer daran: Nur Arbeit, sonst nichts.

 

Dass du als NT dich da nicht wohl fühlen würdest, kann ich mir lebhaft vorstellen.

Und jetzt versetz‘ dich mal in meine Lage (immerhin behauptest du von dir wahrscheinlich, mitfühlend zu sein):

So, wie du dich in meiner Arbeitswelt vermutlich fühlen würdest, so fühle ich mich in deiner. Jeden Tag.

Du würdest sehr wahrscheinlich nach spätestens vier Wochen arbeitsunfähig krank (langfristig) ausfallen und dich nach einem anderen Job umsehen.

Ich kann mir arbeitsunfähig krank auf Dauer nicht leisten. Und ein anderer Job? Die Jobs, die für mich in Frage kommen, werden von NTs gestaltet und dominiert.

 

 

Schlusspunkt

Ich habe in einer Welt zu leben und zu arbeiten, die so feindlich für mich ist, wie das, was ich oben beschrieben habe für dich wäre. Für dich ist es nur eine gruselige Vorstellung. Für mich ist es real. Ich muss in so einer feindlichen Welt leben, um mein Geld zu verdienen – jeden Tag. Du musst das nicht.

 

 

So.

Der Text ist an dieser Stelle zu Ende.

Schau mal, ob du tatsächlich so mitfühlend bist wie du dachtest und ob du mich tatsächlich mal ohne Maske bei der Arbeit erleben willst.

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