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Das Neurotypische Syndrom 24 – Du stehst grade … Der Mitmensch als Ressource

Es gibt eine Eigenheit im Zusammenleben von Menschen, die ist mir bislang nur bei NTs aufgefallen. AS scheinen derartiges Verhalten nicht zu zeigen, jedenfalls habe ich bei ihnen noch niemals vergleichbares erlebt: Der Mitmensch wird als Ressource betrachtet und ungeniert als solche behandelt. Typische Aussprüche begleiten diese Art, in der Welt zu sein:

 

„Ach, du stehst grade – kannst du grad mal das Fenster zumachen?“

„Wo du grade in der Küche bist – kannst du noch die Milch mitbringen?“

„Wo du grad zum Einkaufen fährst – wir brauchen noch Öl.“

„Wenn du eh am Bahnhof vorbeikommst – könntest du noch die neuen Preislisten mitbringen?“

Und so weiter.

 

Ich bin sicher, die NTs unter meinen Lesern denken sich nichts dabei. Solche Sätze und solches Verhalten sind unter NTs völlig normal. Beinahe niemand unter den NTs scheint Anstoß an ihnen zu nehmen. Dabei haben es diese Sätze in sich. Diese Sätze und die Mentalität, die hier zum Ausdruck kommt – die haben es wirklich in sich.

 

Worum geht‘?

Ich schau mal, ob es mir gelingt, mich verständlich auszudrücken.

 

In meiner Welt gilt dieses:

 

1

Menschen sind Menschen.

Das bedeutet in diesem Fall: Wenn zwei Menschen einander begegnen, dann begegnen sich da zwei gleichwertige Wesen. Jedes mit eigenen Bedürfnissen, Vorlieben, Interessen, Sehnsüchten, Ängsten und so weiter.

Wenn zwei Menschen einander begegnen ist also nicht der eine das Werkzeug des anderen.

 

2

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Das bedeutet in diesem Fall: Wenn zwei Menschen einander begegnen, ist alles zu unterlassen, was dazu führt, dass ein Mensch herabgewürdigt oder zu einem Werkzeug degradiert wird.

 

Die NTs scheinen ein ganz anderes Welt- und Menschenbild zu haben. Natürlich kann man das nicht über einen Kamm scheren – so verschieden wie die NTs sind, so unterschiedlich sind auch ihre Welt- und Menschenbilder. Aber in einer Sache scheinen sie sich absolut einig zu sein: Wenn zwei Menschen einander begegnen, dann ist der eine zum Nutzen des anderen da. Das gilt unabgesprochen und jederzeit.

 

Das heißt in der Welt der NTs: Man begegnet sich, man grüßt sich, man checkt ab, wie man den anderen als Werkzeug oder als Ressource für die eigenen Bedürfnisse nutzen kann.

Ich habe den Eindruck, dass das in der Welt der AS ganz anders ist.

 

Anders ausgedrückt:

Wenn zwei NTs einander begegnen, respektieren und sehen sie einander nicht als Menschen, sondern jeder versucht, Vorteil aus der Anwesenheit des anderen zu ziehen. Jeder versucht, den anderen für seine Bedürfnisse zu instrumentalisieren.

 

Das hat ganz verschiedene Ebenen und Tiefen.

 

 

1

Die oberflächliche Ebene

Der andere ist mein Werkzeug im Alltag

 

Ich setze den anderen ungefragt als meinen Diener oder als mein Werkzeug ein.

Um das zu tun, spreche ich Sätze aus, wie ich sie oben formuliert habe:

„Oh, ich seh‘, du stehst grade – kannst du mir das rote Wörterbuch von der Ablage bringen?“

So ein Verhalten ist unter NTs völlig normal und akzeptiert:

Der eine wird für kurze Zeit zum Lakaien des anderen. Die NTs nennen sowas „Höflichkeit“ oder „Hilfsbereitschaft.“ Mein Blick auf diese Dinge ist ein komplett anderer. Für mich ist es weder höflich noch hilfreich, wenn ich den anderen als meine Ressource einsetze oder mich von ihm als seine Ressource einsetzen lasse.

 

Alle AS, die ich bislang kennengelernt habe, würden ein solches Verhalten vermutlich nie zeigen. Wenn sie das rote Wörterbuch von der Ablage haben wollen, dann stehen sie auf und holen sich das selber.

(Ausnahme natürlich: Der AS ist gehbehindert oder sonstige physikalische Restriktionen hindern ihn jetzt gerade daran, sich dieses Wörterbuch selber zu holen).

 

2

Die etwas tiefergehende Ebene

Der andere ist mein Seelenmülleimer

 

Auch das ist ein Verhalten, das bei den NTs völlig normal und akzeptiert ist: Wenn es der Person A schlecht geht, dann darf sie die Person B seelisch vollkotzen. Und umgekehrt.

Typische Aussprüche auf dieser Ebene hören sich so an:

„Ja, können Sie denn nicht aufpassen?!“

„Jetzt reicht’s mir aber!“

„Was fällt Ihnen eigentlich ein?!“

„Huuuup!“ – ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie viele NTs versuchen, schwierige Situationen im Straßenverkehr mit Hilfe ihrer Hupe zu bereinigen? Nach meiner Beobachtung lösen sich Staus nicht schneller auf, wenn gehupt wird. Und wenn im Stadtverkehr der unsichere Fahrer vor mir seinen Motor abgewürgt hat, dann startet er den Wagen nicht schneller, wenn ich ihn ungeduldig anhupe. Aber mir geht’s schlecht. Deshalb habe ich jedes Recht, ihn seelisch vollzukotzen:

„Huuup!“

 

In welchem Maße AS dazu neigen, ihre Mitmenschen als Seelenmülleiner zu benutzen, wenn es ihnen schlecht geht, weiß ich nicht. Ich habe derlei Verhalten aber noch nie an ihnen beobachtet. AS, denen es seelisch schlecht geht, scheinen sich generell in sich zurückzuziehen. Sie gehen dann mit ihrem seelischen Leid nicht nach außen und kotzen andere nicht seelisch voll. (Das kann natürlich anders sein, wenn ihnen durch die NTs die Möglichkeit zum Rückzug genommen wird).

 

Grundsätzlich scheint aber für die meisten NTs dieser Grundsatz zu gelten:

„Mir geht’s schlecht, also darf ich alles.“

Und natürlich darf man dann auch Menschen, die absolut nichts dafür können, mit dem eigenen seelischen Müll beladen. Denn der andere ist ja kein Mensch, sondern nur meine Ressource.

 

3

Die tiefergehende Ebene

Der andere ist an allem schuld, was mir in meinem Leben an Schlechtem widerfährt.

 

Das scheint ein Reflex zu sein, der die NTs generell auszeichnet. Das ist wie im Mittelalter: Wenn die Ernte schlecht war, dann verbrennen wir mal schnell ein paar Hexen. Das hilft bestimmt. Wenn das Vieh krank wird, dann treten wir mal schnell eine Aktion gegen die Ketzer von nebenan los.

Wie ist das heute? Das Hexenverbrennen ist ja aus der Mode gekommen und auch Ketzer sind heute nicht mehr so schnell bei der Hand.

 

Heute hört sich das so an:

„Sieh nur, was du da schon wieder angerichtet hast!“

„Wenn nur du nicht wärst.“ (Dann wäre alles besser).

„Ach hätte ich bloß nicht auf dich gehört!“

„Wäre ich dir doch bloß nie begegnet!“

„Ja, das war ja typisch. Immer gerate ich an solche Männer.“

 

Aber gerne werden auch eher abstrakte Größen verantwortlich gemacht – Hauptsache es sind andere, die an dem schuld sind, was mir widerfährt

Der böse Kapitalismus

Das böse Patriarchat

Der böse Bill Gates

Die in Berlin (alles Pfeifen!)

Die Rassisten, die Faschisten, die Linken, die Rechten, die Moslems, die Emanzen, die Amerikaner, die Juden, die Sozialisten, die Palästinenser, die Fliegenpilze, die Populisten, die Chinesen, die Pharmaindustrie, die Jungen, die Alten, die Politiker (immer noch alles Pfeifen!) die Leute, die immer ganz viele Kätzchen-Videos auf YouTube hochladen, so dass ich das ganze Wochenende zu nichts anderem komme, die Homosexuellen, die Gender-Schlampen, die katholische Kirche, die blaugetupften Einhörner.

Und so weiter.

 

Ja, damit kann man sich lange und intensiv beschäftigen. Milliarden NTs tun das. Damit kann man die Internetforen, die (a)sozialen Medien, die Zeitungen, die Blogs, YouTube und was weiß ich alles befüllen. Ich kann anderen die Schuld für alles geben, was in meinem Leben nicht gut läuft. (Immer mit der unausgesprochenen Prämisse, wenn diese anderen Menschen weg wären oder sich zumindest anders verhalten würden, dann ginge es mir in meinem Leben wesentlich besser).

 

Und wenn ich sowas tue, dann gilt immer:

Auswirkungen auf mein Leben (außer, dass die Zeit vergeht): Praktisch keine.

Menschen, die auf diese Weise die Verantwortung für ihr Leben auf andere Menschen abschieben, die führen das Leben eines Alkoholikers. Nur, dass der Alkohol fehlt.

 

Aber dafür sind die anderen Menschen ja auf der Welt, nicht wahr?

Dass ich ihnen die Schuld dafür geben kann, dass mir mein Leben nicht gelingt.

Die anderen sind nicht Menschen, sondern Sündenböcke. Sie sind meine Ressource.

 

Ich sage nicht, dass es vergebens und sinnlos ist, sich politisch zu engagieren. Ganz im Gegenteil: Wenn wir Demokratie, Teilhabe, sozialen Frieden, Menschenrechte, eine lebenswerte Umwelt und dergleichen haben wollen, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig als politisch zu sein und uns zu engagieren – jeden Tag, jeder an seinem Platz und auf seine Weise.

 

Aber hier geht es um was ganz anderes:

Übernehme ich die Verantwortung für mein Leben und für das, was in diesem Leben passiert, oder schiebe ich diese Verantwortung jemand anderem zu? Werde ich erwachsen oder nicht?

 

Beinahe jeder NT, dem ich bis jetzt begegnet bin, übernimmt Verantwortung für sein Leben nur sehr graduell. Und für den Rest des Lebens sind dann eben andere verantwortlich – der Partner, die Kinder, die Nachbarn, die Schwiegereltern, der Chef oder eher abstrakte Größen wie oben skizziert: Wenn die nicht wären oder anders wären, dann wäre die Erde ein wahres Paradies. Und mein Leben wäre herrlich.

 

Ja, von wegen!

Wenn die nicht wären oder anders wären, dann ginge es dir genauso dreckig wie vorher auch, und du würdest reflexhaft andere Schuldige dafür suchen und finden. Und dann ginge das ganze Spiel genauso von vorne los.

 

Das Neurotypische Syndrom steht also auch immer sinnbildlich für die lebenslange Weigerung, erwachsen zu werden. In welchem Maße dies auch auf die AS zutrifft, weiß ich nicht. Ich habe bislang nicht genug Beobachtungen zusammengetragen, um hier eine sichere Aussage machen zu können.

 

Und grundsätzlich scheint für die NTs zu gelten:

Der andere ist auf der Welt, um meine Bedürfnisse zu befriedigen. Er ist meine Ressource.

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Kommentare: 9
  • #1

    Kikkulade (Sonntag, 14 März 2021 17:11)

    Hi Stiller,
    es gibt nach meiner Beobachtung HSP, die, ähnlich wie AS, ihre Mitmenschen nicht so als Ressource sehen/nutzen, wie Du es bei den NT's beschrieben hast.

    Mit smaragdgrün-gestrichelten Grüßen!

  • #2

    Stiller (Sonntag, 14 März 2021 17:29)

    Hallo Kikkulade,

    das ist ein sehr interessanter Hinweis. Vielen Dank dafür. Hast du Ideen / Hypothesen, woran es liegt, dass manche hochsensible NTs ihre Mitmenschen als Menschen und nicht als Ressource sehen?

    Mit strichgrün-beknackten Füßen!

  • #3

    Peter (Sonntag, 14 März 2021 19:18)

    Hallo Stiller,

    Sehe gewisse pros und contras zu deinem aktuellen Artikel.
    Bei der oberflächlichen Ebene habe ich ehrlich gesagt keinerlei Probleme. Jedenfalls nicht bei solchen Kleinigkeiten wie Wörterbuch rüberreichen oder Fenster zu machen. Beim Beispiel mit dem Supermarkt sehe ich das sogar positiv: Wenn einer sowieso ausrückt, muss der andere nicht auch noch ausrücken. Spart Ressourcen (sind wir bei diesem Wort). Da sehe ich nicht die Abwertung. Gerade beim Einkauf im Supermarkt würde ich dem Verhalten zustimmen oder es kopieren. Beim Fenster oder Wörterbuch würde ich es vermutlich selber machen. Habe das sogar mit einem verletzten Knie selber gemacht nach dem Motto: Mein Knie ist mein Problem, nicht deins. Da mache ich also nicht "natürlich" eine Ausnahme.
    Ich persönlich habe deutlich herablassendere Benutzungen als Ressource erlebt. Mein Erzeuger beispielsweise als ich Kind/Jugendlicher war im Befehlston: "Hilf mir bei...!!!" Dem war egal, ob ich gerade gestanden bin oder sonst was. Wenn er befahl, hatte man alles andere liegen und stehen zu lassen.

    Bei Punkt 2 stimme ich zu mit dem seelischen Vollkotzen, verstehe unter vollkotzen aber eher das alte Spiel Opfer/Verfolger und umgekehrt, das du in früheren Artikeln geschrieben hast. Emotionale Erpressung gehört voll dazu. Da finde ich das Beispiel "Jetzt reichts mir aber" etwas unglücklich. Das könnte ich auch sagen, wenn mir jemand seinen seelischen Müll herkippt. "Können Sie nicht aufpassen" kann ich auch sagen, wenn einer wirklich mit dem Auto an meinen Gartenzaun fährt. Da sehe ich eine gewisse Berechtigung.

    Zu deinem Beispiel "Die in Berlin": sage ich auch, wenn du meine Seite besuchst, kannst du es nachvollziehen. Ich mässige mein Vokabular, ich sage nur die müssen weg und der Zweck heiligt die Mittel. Wenn du meine Seite besuchst, verstehst du.

    Dein Punkt 3 trifft zu, zumindest zu 90% im privaten Bereich. "Hätte ich bloss nicht auf dich gehört": War doch die eigene Entscheidung, darauf zu hören. Wenn man keine Wahl hatte, ist der Satz überflüssig. Da stimme ich zu.

    Zum drittletzten Absatz: Manchmal ist es doch anders. Beispiel: Wäre es den Juden genauso dreckig gegangen ohne Adolf? Manchmal gibt es doch gewisse Grenzen und es ist nicht nur Suche nach Sündenböcken. Ich gebe dir recht, dass es zu 90% im Alltagsleben der BRD 2021 so ist wie du schreibst.

    Ja, ich stimme zu: Die NTs, zumindest sehr viele unter ihnen, sehen den anderen als Bedürfnisbefriediger. Sehe es aber vor allem auf sozialer Ebene (wie wir wissen, können sie nie allein sein und es muss immer laut sein). Dass man jemand bittet, der ohnehin auf dem Weg dorthin ist, noch was vom Supermarkt mitzunehmen, sehe ich nicht als Problem. Nicht mal symbolisch.

  • #4

    Stiller (Sonntag, 14 März 2021 20:49)

    Hallo Peter,

    das sind viele interessante Hinweise und Anregungen, die du da bringst. Vielen Dank dafür.
    Ich habe über das, was du geschrieben hast, nachgedacht und sage dieses:

    Vielleicht ist das eine oder andere Beispiel unglücklich gewählt oder beschrieben.
    Das könnte man sicher besser machen.

    Aber im Kern ging es mir nicht um diese Beispiele, sondern darum zu kommunizieren, dass mir auffällt, dass NTs und AS in einer Weise unterschiedlich in der Welt zu sein scheinen, die ich bislang noch nirgendwo beschrieben gefunden habe:
    Die einen erleben ihre Mitmenschen vor allem als Werkzeug und Ressource, die anderen nicht.
    Das gilt sicher nicht für jeden AS und jeden NT, aber die Tendenz scheint mir sehr eindeutig zu sein.



  • #5

    PolizistundAutist (Samstag, 20 März 2021 22:52)

    @ Stiller,
    ich muss auf einen Treffer reagieren, der mich schon ewig beschäftigt:
    Oberflächliche Ebene.
    Niemals würde ich jemanden bitten, mir das Rote Buch aus dem Regal zu reichen. Noch schlimmer: Ich überdenke jedes meiner Projekte daraufhin, wie ich es ohne fremde Hilfe verwirklichen kann. Vorteile: Keiner hinterfragt mein Vorhaben, kein Rechtfertigen, keine Besserwisserei, kein: Warum machst du es nicht auf diese Weise. Brauche ich nicht. Ist alles schon fertig. Die andere, wohlgemeinte Idee geht an meinem Ziel vorbei und strengt mich nur an.

    Das Beispiel "Hupen" hat mich sehr bewegt.
    In meiner Zeit als Schutzmann auf der Straße gab es für mich nur ein Motto: In kleinen Sachen großzügig und in Großen Sachen kleinlich. Bis auf eine Sache: Hupen. Hupen war das Einzige, was teuer war bei mir. Warum. dass habe ich bei dir gelesen.
    @ Kikkulade
    Volltreffer, HSP sind wohl nicht entfernt Verwandte.

    @ Peter

    Meine Gedanken zum Einkauf:

    Wenn ich meiner Frau sage, meine Fahrt führt nur kurz zum Kiosk für dringend benötigte Zigarillos, kann Folgen haben.
    " Oh, bring noch Schwarzbrot mit, dann müsstest du noch in die Drogerie. Nimm mein Auto, muss noch getankt werden !"

    Tagesenergie verbraucht.

    Lg

  • #6

    Stiller (Sonntag, 21 März 2021 00:10)

    @PolizistundAutist
    Ich verneige mich.

  • #7

    Peter (Sonntag, 21 März 2021 13:08)

    @Stiller:
    Beim erneuten Durchlesen fällt mir dein 4. letzter Absatz auf. Das mit dem Verantwortung nur graduell übernehmen stimmt. Was mir speziell bei NTs auffällt: Letztendlich muss man sich bei ihnen entschuldigen, weil man lebt. Ist zwar selten direkt und konkret so vorgetragen, aber die letzte Konsequenz aus gewissen Vorwürfen. Das sehe ich eigentlich nur bei NTs. Kann selbstverständlich konkrete Beispiele bringen, aber ich will die Antwort auch kurz halten.
    Ich denke da stimmst du ja zu, es gibt tatsächlich gewisse Miseren, für die man nicht selbst verantwortlich ist, sondern tatsächlich ein anderer. Privat wie nicht privat. Über Gewalt an Kindern durch Erziehungsberechtigte braucht man gar nicht diskutieren ob selbst schuld oder nicht.
    Auch abstraktere Grössen (z.B. das anonyme Monster Staat, im übrigen sehr NT dominiert: in der deutschen Demokratie würden die Autisten an der 5%-Hürde Scheitern. Sie sind allenfalls als Bittsteller geduldet.) kann einen schädigen. In meinen Fall weil ich in einer Nische tätig bin, die systematisch durch NT-Gesetze zerstört wird. Eine weitere Nische meinerseits sind Casinos (Kartenzählen). Auch in einer Zeit von Reisebeschränkungen sabotiert. Ich würde mich lieber definitiv und absichtlich (also es nicht nur riskieren) mit Corona infizieren als mich den übergriffigen Regeln zu fügen. Kostet mich weniger Lebensqualität und Lebenserwartung.

    Das nur als Beispiel: Die (NTs) da im Staat zielen mit ihren Waffen auf meine Nischen.

    @PolizistundAutist: Was du zum Einkauf beschreibst, ist: Es werden mit der einen Ressource gleich weitere Ressourcen angezapft. Das kostet in der Tat. Ich meinerseits habe mich auf Leistungen bezogen, die nichts kosten: Wenn ich im Supermarkt stehe und Milch kaufe, dann auch noch Butter für jemand mitnehmen. Was mir eventuell sogar erspart, dass ich dann zur Unzeit darum gebeten werde. Aber einen Umweg erwarten und aus n Umwegen n+1 Umwege machen ist in der Tat Misbrauch vom Anderen als Ressource.

  • #8

    Stiller (Sonntag, 21 März 2021 17:05)

    Hallo Peter,

    natürlich bist du für viele Miseren nicht verantwortlich. Aber du bist dafür verantwortlich, wie du damit umgehst. Das ist für mich bei diesem Gedankengang der wesentliche Punkt.

    Dass du unter den Corona-Maßnahmen so zu leiden hast, tut mir sehr leid. Von einer absichtlichen Infizierung mit Corona würde ich eher abraten. Ich habe mich vor 14 Monaten angesteckt und laboriere heute noch an den Folgen. Es muss nicht jeden Infizierten so treffen wie mich, keine Frage. Manche trifft es noch härter, und viele deutlich weniger hart. Aber absichtliche Infizierung würde ich nur den Menschen raten, die gut damit klarkommen, für lange Zeit, vielleicht für den Rest ihres Lebens, mit deutlich weniger Lungenkapazität zu leben.

  • #9

    Peter (Montag, 19 April 2021 14:57)

    Zum absichtlichen Infizieren gibt es keinen Grund. Wie weit ist ein bewusstes Inkaufnehmen zugunsten anderer Vor- und Nachteile damit vergleichbar? Ein kalkuliertes Risiko, im vollen Bewusstsein, dass die Wahrscheinlichkeit sicher im 2-stelligen Prozentbereich ist. Das habe ich bereits in der Vergangenheit getan. Eben ganz genau mit einer Atemwegserkrankung. Habe mich auch angesteckt und bin symptomatisch erkrankt. Ob es eines der Coronaviren war oder irgendwas anderes, keine Ahnung. Hatte geschäftliche Gründe, mich nicht von der Exposition zurückzuziehen.
    Natürlich habe ich nicht angekreuzt "will mich infizieren", in Kauf habe ich es aber bewusst genommen.
    Das mit dem Leiden unter den Corona-Massnahmen hast du ein wenig misverstanden. Brunnenvergiftung betreiben alle Regierungen und das Wahlvieh schon lange, Beispiel Steuergesetze. Auf meiner Seite habe ich dazu einen Beitrag geschrieben, in sehr diplomatischem Ton gehalten. Bei Corona: Ich freue mich, dass das Haendeschuetteln weg ist. Ausgangssperren breche ich mit Verachtung gegen alle, die sie durchsetzen wollen. Zum Spass. Kontaktbeschränkungen: Der gleiche Pöbel, der mich vorher verachtet hat, weil ich allein sein wollte, will das jetz mir vorschreiben. Freut mich ja, dass die sich mal vor was fürchten.
    Weiterer positiver Effekt für meine Kinder: sie lieben homeschooling und wollen nicht in den Präsenzunterricht. So viel, was vorher "alternativlos" war, ist es wohl doch nicht. Kurz: Es freut mich, wenn Corona die Welt einiger Leute ein wenig durchschüttelt (Sprachbild). Selbstverständlich wünsche ich dir keine Infektion, die du aber wie geschrieben schon hattest. Dedeutet ich meine damit nicht dich.

    Frage an dich: Wenn das 14 Monate vor der letzten Antwort war: Dann warst du ja schon ziemlich früh dabei. Allerdings sehe ich keinen Beweis, dass dieses Virus nicht schon öfter da war. Seit Ende 2019 eben vermehrt beschrieben, das bedeutet nicht notwendigerweise erst zu diesem Zeitpunkt erschienen.

    Ganz anderer Punkt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Dieser Satz macht für mich ungefähr so viel Sinn wie: Die Quadratwurzel einer demokratischen Staatsverfassung ist nicht durch eine Bohrmaschine mit Cholera infizierbar. Ich meine: eine inhaltslose Phrase. Diese "Würde" ist nicht konkret definiert, und von der Realität ist das weit entfernt. Gut dass ich mich nicht für einen Menschen halte. Ich nehme die "Würde des Menschen" nicht für mich in Anspruch, noch unterstütze ich sie für andere.